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Als fou du U die Kneipen bespielen

Wie schwer es ist, Ablehnung zu erfahren, ohne die Selbstachtung zu verlieren. Oder: Wie die französische Liedermacherin und Chanson-Sängerin Corinne Douarre in Berlin ihren Traum verwirklicht. Ein Porträt  ■ Von Christiane Mücke

Da steht sie – klein, zierlich, die kurzen schwarzen Haare recken sich in alle Himmelsrichtungen. „Hier in Berlin gibt es einen Mann in der U-Bahn, der spinnt, der stellt sich hin und sagt ganz laut ,Bitte nicht einsteigen‘, wenn es voll ist, oder ruft ,Alexanderplatz links aussteigen‘“, erklärt Corinne Douarre mit französischem Akzent und unvollkommenem Deutsch den Inhalt ihres Liedes „Le fou du U“. Und dann singt sie, frech, fröhlich, mit viel Charme und Humor und Esprit – und die vorangegangene Erklärung macht zusammen mit ihren sparsamen Gesten klar, wovon der Chanson handelt.

Corinne ist Liedermacherin, und da sie im deutschsprachigen Berlin französische Texte vorträgt, ist ihr die Erklärung des Inhalts fast so wichtig wie das Stück selbst, egal, ob sie allein oder in Begleitung von Kneipe zu Kneipe zieht, oder, wie seit kurzem, auf der Bühne steht. „Ich wollte schon immer Liedermacherin sein“, erzählt die 28jährige, während ihr in der kleinen Küche im unsanierten Altbau in Mitte die Katze um die Beine streicht. Erst vor anderthalb Jahren verwarf Corinne, mitten in den Vorbereitungen für ihr Architekturdiplom, ihre ganze Lebensplanung, um in Begleitung einer Sängerin und mit ihrem Akkordeon gewappnet sich in den Kneipen und Cafés von Paris ihr Publikum zu suchen. Vor knapp einem Jahr zog es sie dann – nicht allein der Liebe wegen – nach Berlin. „In Frankreich haben meine Freunde gesagt, du spinnst, wenn du französische Lieder in Deutschland machen willst“, berichtet sie mit einem kleinen Grinsen.

La Rue Bleue ist der Name, den sich das Duo Corinne Douarre und ihre Freundin und Sängerin Virginie Haddadène geben. So heißt eine Straße in Paris, und für die beiden jungen Frauen ist es zudem die Idde für ein Programm. In den Häusern der imaginären Straße wohnen die Menschen, um die es in den Chansons – noch interpretieren sie nur fremde Stücke – geht. Fast einen Monat üben beide gemeinsam. Ende Oktober 97 gingen sie am Hackeschen Markt das erste Mal zusammen auf „Kneipentour“ – und merkten, daß ihre Musik ankommt, daß das Publikum sie mag, daß sie Geld verdienen können.

Die Kneipe ist ein Raum, wo du Stimmung schaffen kannst, sagen: ,Wir werden spielen‘, und du mußt es auf irgendeine Weise sagen, daß die Leute ruhig sein und zuhören sollen“, umschreibt Corinne, was für sie das Schwerste bei solchen Auftritten ist. Nicht immer reagieren die Menschen freundlich oder auch nur rücksichtsvoll: „Die Besitzer sind manchmal sehr unangenehm, sagen: ,Wir wollen nicht unsere Stimmung kaputtmachen‘ – aber ich mach doch Stimmung“, drückt Corinne ihren Frust aus. Rein in die Kneipe, sich über den Lärm hinweg verständlich machen, einige Stücke spielen, wieder hinaus in die Kälte, hinein in die nächste Kneipe ... Manchmal ist es nur ein Durchhalten gegen uninteressierte Zuhörer, manchmal wie vor richtigem Publikum, mit Beifall und Zugabeforderungen. „Von Kneipe zu Kneipe ziehen, das machst du fast nur fürs Geld“, schätzt die Chanson- Sängerin heute ein.

Ablehnung zu erfahren, ohne die Selbstachtung zu verlieren, ist nicht leicht: Auf einer Firmenweihnachtsfeier beispielsweise will das Publikum viel lieber deutsche Schlager als französische Chansons hören – und läßt das die beiden jungen Frauen auch deutlich spüren. Doch Engagement ist Engagement, weglaufen kommt nicht in Frage.

Irgendwann im letzten Winter stand Corinne dann zum ersten Mal allein vor Publikum, bei „Jac“ in Kreuzberg – Virginie soll auf Anraten des Arztes vorläufig nicht mehr auftreten. „Ich fühlte mich superunwohl, aber die Leute meinten: ,Du singst gut.‘“ Knapp zwei Monate schlug sie sich allein durch, spielte Akkordeon und sang, dann lernte sie andere Musiker kennen, die Lust hatten, sie zu begleiten, mit Klavier, Bratsche, Cello oder Klarinette. Für Corinne ein völlig neues Gefühl – begleitet zu werden, statt selbst zu begleiten.

Kneipenauftritte und kleine Engagements für Geburtstagsfeiern wechselten sich ab – ihren Traum, Liedermacherin zu sein, hatte Corinne darüber nicht vergessen. Sie schrieb und komponierte, sammelte alles, was ihr in den Kopf kommt – Melodien ohne Texte, Texte ohne Melodien, nichts wird weggeworfen, manches vervollständigt, immer wieder überarbeitet. Bis zu jenem Tag, als sie das erste Mal ihre Noten einem anderen Musiker zeigte, einem Freund aus Stuttgart. Und dieser spielte ihre Chansons, sagte, er wolle sie gern überarbeiten – „Das war richtig ein Geschenk, da habe ich gedacht: ,Jetzt bis du Liedermacherin.‘“

An diesem Traum arbeitet sie weiter, nach ersten Auftritten im Grünen Salon soll es im Herbst ein eigenes Liederprogramm geben, das Corinne zusammen mit der Klavierspielerin Jessica Probst vortragen will. Über ihrem Schreibtisch hängen die Titel der fertigen Stücke, auf kleine Papierschnipsel geschrieben, an einem Pinboard. Dort feilt Corinne an ihrem Programm, wenn sie nicht gerade ihre Stimme übt, textet oder komponiert. Heraus kommen kleine Alltagsgeschichten, wie die von der Katze, die den Kopf zum Fenster richtet, um träumend hinauszuschauen. Oder eben wie „Le fou du U“.

Corinne Douarre wird im Rahmen des „Französischen Herbstes“ vom 30. Oktober bis 8. November im Grünen Salon in Berlin einen Abend gestalten

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