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Ein Pfund Solarstrom

■ Wie man die Kosten kalkuliert

Mit dem neuen Energierecht ist Strom zu einem ganz normalen Handelsgut geworden. Wer in Reutlingen wohnt, kann beispielsweise bei Reinhard Jahraus Solarstrom kaufen. Kosten: 2 Mark je Kilowattstunde, Lieferung frei Haus. Jahraus ist bundesweit einer der ersten Anbieter reinen Solarstroms für Endkunden. Eingekauft wird der Sonnenstrom bei Anlagenbetreibern in Reutlingen. Damit bildet sich ein Markt, der den Preis bestimmt. Doch wie sieht es mit den Erzeugungskosten aus? Vorab: Anlagenpreis geteilt durch Nutzungsdauer geteilt durch jährlichen Stromertrag ist nur die halbe Lösung. Diese simple Methode würde zu kalkulatorischen Solarstromkosten von etwa 80 Pfennig pro Kilowattstunde führen. Über die tatsächlichen Produktionskosten für Solarstrom wird beispielsweise jährlich im Wirtschaftministerium des Landes Nordrhein- Westfalen diskutiert. Die Strompreisaufsicht unter Leitung von Dieter Schulte-Janson hat die Aufgabe, die zulässige Höchstvergütung für Solarstrom festzulegen, die im Rahmen des Fördermodells der kostendeckenden Vergütung von Energieversorgern an Anlagenbetreiber gezahlt werden darf. Derzeit liegt der „kostendeckende“ Preis bei 1,89 Mark je Kilowattstunde. Hierbei wurde berücksichtigt, daß zu einer Solarstromanlage ein extra Stromzähler gehört, der 60 Mark Miete im Jahr kostet, daß eine Anlage auch mal repariert werden muß, so daß entweder Wartungskosten oder alternativ Versicherungsprämien von etwa 1,5 Prozent des Kaufpreises jährlich anfallen, und schließlich – der wichtigste Posten – daß das eingesetzte Kapital verzinst werden muß. Leiht man sich für die Anlage Geld von der Bank, werden je nach Vertrag durchschnittlich etwa acht Prozent Zinsen fällig. Investiert man Eigenkapital, verzichtet man auf Zinsen, die die Bank auf eine Einlage gezahlt hätte. Die Preisaufsicht NRW kommt unter diesen Randbedingungen auf Produktionskosten von besagten 1,89 Mark, netto, versteht sich. Private Anlagenbetreiber müssen noch 16 Prozent Mehrwertsteuer hinzurechnen. Wer sich diese Steuer vom Finanzamt zurückholen möchte, muß dazu ein Gewerbe anmelden. Das funktioniert allerdings nur in den Städten, in denen eine kostendeckende Vergütung gezahlt wird, da der Gewerbetreibende eine „Gewinnerzielungsabsicht“ nachweisen muß. Bei einer Vergütung nach dem Stromeinspeisungsgesetz von nur 17 Pfennig je Kilowattstunde Solarstrom ist dies kaum möglich, und die Anlage wird von den Finanzbeamten als Liebhaberei eingestuft. In Städten mit kostendeckender Vergütung hingegen ist eine Gewerbeanmeldung zu empfehlen, weil man dann nicht nur die Mehrwertsteuer zurückerhält, sondern die Investitionskosten zusätzlich auch noch abschreiben kann, was mitunter eine beträchtliche Steuerrückerstattung bedeutet. Anne Kreutzmann

Zur Kalkulation des Strompreises gibt es unter www.photon.de kostenlos eine Excel-Tabelle.

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