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■ Dagestan: Die Peripherie der Föderation nutzt Rußlands KriseDrohende Implosion

Der Bombenanschlag in Machatschkala, dem am Wochenende 17 Menschen zum Opfer fielen, war das brutalste Attentat in der russischen Kaukasusrepublik, die seit Jahren von interethnischen Konflikten heimgesucht wird. Eine Eskalation, die das labile Gleichgewicht der über dreißig Völker auf dem kleinen Territorium zerstört hätte, konnte zwar bisher verhindert werden, aber der moskautreuen und korrupten Republikführung gelang es nicht, die brisante Lage in Rußlands Armenhaus zu entschärfen.

Die Terroristen haben keinen Bekennerbrief hinterlassen. Als Drahtzieher werden allerdings radikale islamische Fundamentalisten vermutet, genauer die Sekte der Wachhabiten. Erst vor wenigen Tagen fiel der zwischen weltlicher Führung und Fundamentalisten um Ausgleich bemühte Mufti Dagestans, Abubakarow, einem Attentat zum Opfer. Auch diese Täter sind bislang unbekannt, allerdings verweisen die sich überstürzenden Ereignisse in Richtung Wachhabiten. So erklärten Ende August zwei Dörfer in der schwer zugänglichen Bergregion ihre Unabhängigkeit und riefen eine Republik nach islamischen Recht aus. Auch unter den arbeits- und perspektivlosen Jugendlichen wächst der wachhabitische Einfluß. Nicht immer ist es also der Glauben, der zur Gewalt verleitet, häufig ist es die wirtschaftliche Lage.

Weder die Verantwortlichen in Machatschkala noch Moskau haben eine Lösung für die Krise parat. Die schlechteste wäre eine militärische Intervention föderaler Truppen. Sie würde unweigerlich bürgerkriegsähnliche Zustände provozieren. Die bärtigen Autoritäten der Wachhabiten genießen nämlich nicht nur in der neugeschaffenen Republik Rückhalt. Zudem hat Moskaus Armee im Tschetschenien-Desaster demonstriert, wie wenig sie einem Gegner gewachsen ist, der für seine Sache kämpft. Dennoch, die Gefahr unüberlegten Handelns besteht.

Das Machtvakuum im Kreml verleitet geradezu, die Aufmerksamkeit in andere Richtungen zu lenken. Überläßt Moskau hingegen Dagestan sich selbst, setzt es die Republik der Implosion aus, die zwangsläufig die radikalen Kräfte im benachbarten Tschetschenien auf den Plan riefe. Denn ein unabhängiges Dagestan würde Grosni aus der russischen Umklammerung befreien. Dem Kreml muß der Angstschweiß auf der Stirn stehen. Diese Vision käme einer endgültigen Demontage der russischen Großmacht gleich. Moskau hätte damit nicht nur die Kontrolle über die Ölpipeline von Baku nach Noworossisk verloren, es könnte jeden Einfluß in der Kaspiregion und im Transkaukasus gleich abschreiben. Klaus-Helge Donath

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