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Kulissen im Freistil

Großoffensive in der Admiralitätstraße: Sechs Galerien verteidigen mit Bagger, Minimalismus und heißer Schokolade das 20. Jahrhundert  ■ Von Hajo Schiff

Eine große Baggerschaufel hängt im Treppenhaus vor der Galerie Dörrie*Priess, im Westwerk ist Landschaftsmalerei zu bestaunen, stille, mathematisch-reduzierte Arbeiten aus den siebziger Jahren zeigt die Galerie Jürgen Becker, und in der Produzentengalerie wird 41,4 Grad warme Schokolade gerührt: Der Eindruck, den der Saisonstart in den sechs Galerien der Admiralitätstraße macht, ist nicht geeignet, Laien oder Sammlern irgendeine Richtschnur an die Hand zu geben. Wiederum steht also ein Kunstwinter ins Haus, in dem vieles läuft und alles geht, eine andere, genauere Erfahrung wäre ja auch sensationell und ist in diesem Jahrhundert wohl nicht mehr zu erwarten.

Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, daß die Hälfte der Galerien auf Gruppenschauen setzt. Für die Produzentengalerie hat der in Hamburg lebende, in Essen unterrichtende Fotograf Bernhard Prinz 20 meist jüngere KünstlerInnen zu einer Präsentation ausgewählt, der er mit dem Titel Osygus den Namen der deutschen Meisterin im Freistil-Schwimmen gab. „Meisterschaft“, „Freistil“ und „Schwimmen“: Man beachte die kokette Ironie des Kunstbetriebes! Doch sind hier Entdeckungen zu machen: Besonders auffällig gewiß die Schokoladenarbeiten von Sonja Alhäuser und die Arbeiten der ebenfalls 1969 geborenen Nicole Wermers: Collagen und das Modell „Verbarrikadiertes Zimmer“.

Reale Raumveränderungen überraschen in der Galerie Dörrie*Priess. Der Hamburger Peter Dombrowe hat einen Durchgang geschlossen und eine alte Kellertür eingebaut, die mancher nicht zu öffnen wagt. So wird die Ausstellung der drei jungen Künstler getrennt, die in beiläufigen Objekten und digitalisierter Fotografie von Tankstellenpalästen und TV-Studios Aspekte der immer weiter fortschreitenden Kulissenhaftigkeit des Alltags bearbeiten.

Editionen von Rosemarie Trockel zeigt die Galerie Helga Maria Klosterfelde. Die 46jährige Künstlerin, die nächstes Jahr in einer Einzelschau Deutschland bei der Biennale in Venedig vertreten wird, vermag in diesen Auflagenobjekten mehr zu überzeugen als in der großen Ausstellung in der Galerie der Gegenwart der Kunsthalle, bei der besonders die neuesten Arbeiten zu groß und zu trivial geraten sind. Es macht schließlich gar nichts, wenn ein Kunstobjekt nicht umfangreicher ist als der dahinterstehende Gedanke, umgekehrt dräut aber die Gefahr der Hohlheit.

Und so ist es keine Überraschung, daß die Einzelausstellung eines Altmeisters in der Galereie Sfeir-Semler den stärksten Eindruck hinterläßt: die Bildrauminszenierung des US-amerikanischen Konzeptkünstlers Robert Barry. Seine quadratischen, monochromen Farbtafeln, hinter denen je nach Lichteinfall einzelne Wörter oder Fotoporträts vage zum wortwörtlich zu nehmenden Vorschein kommen, erweitern Bilder aus minimalistischer Tradition zum Gesprächspartner der BetrachterInnen: Sie gucken gleichsam zurück und bieten eigene Kommentare zu den vor ihnen gehaltenen Gesprächen, die ja gerade bei einer Saisoneröffnung mit einem Glas Wein in der Hand ganz und gar nicht um Kunst kreisen.

Admiralitätstraße, unterschiedliche Laufzeiten, meist bis Mitte/Ende Oktober. Während der art fo-rum Berlin vom 1. – 4. Oktober geschlossen.

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