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Wiedergeburt der Sowjetfossilien

In Rußlands neuer Regierung soll ein Kommunist Wirtschaftsminister werden. Als Chef der Zentralbank ist Wiktor Geraschtschenko im Gespräch. Er hat bereits einen Währungsabsturz verschuldet  ■ Aus Moskau Klaus-Helge Donath

Die Kandidatur Außenminister Jewgeni Primakows für den Posten des Premierministers ist von den unterschiedlichsten politischen Kreisen in Moskau mit Erleichterung aufgenommen worden. Der Tenor der russischen Kommentatoren ist einmütig: Die politische Krise, die Rußland ins totale Chaos zu stürzen drohte, ist mit der Ernennung des 68jährigen überwunden, zumindest aber aufgeschoben.

Noch vor der Bestätigung durch die Duma traf der designierte Premier mit den Fraktionschefs des Parlaments zusammen, um die Besetzung der Schlüsselpositionen im künftigen Kabinett zu erörten. Demnach übernimmt Juri Masljukow als Vizepremier die Leitung der Wirtschaftspolitik. Daß die Wahl gerade auf den Kommunisten und kurzfristigen Industrieminister im Kabinett von Serge Kirijenko fällt, macht anfängliche Hoffnungen zunichte, Primakow werde versuchen, den marktwirtschaftlichen Kurs zu halten.

Masljukow leitete von 1988 bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion im Dezember 1991 die zentrale Planbehörde Gosplan, die Schaltzentrale der sozialistischen Kommandowirtschaft. Unter Gorbatschow bekleidete das Politbüromitglied schon einmal das Amt eines stellvertretenden Vizepremiers.

Im Kabinett des im August von Präsident Jelzin geschaßten jungen Premiers Kirijenko sorgte der Alt- Apparatschik gleich nach seiner Ernennung für Unruhe. Neben dem angetragenen Ministerium verlangte er die Oberaufsicht über den militärisch-industriellen Komplex und Teilbereiche des Außenhandels. Details seines Antikrisenprogramms sind noch nicht bekannt. Unterdessen zweifelt keiner daran, daß Masljukow in weiten Bereichen eine Renationalisierung der Schlüsselindustrien vornehmen wird.

Das hakende Uhrwerk der Planwirtschaft, Gosplan, scheint ebenso einer Wiederbelebung entgegenzusehen. Als Zentrum dieser Behörde figuriert das Ministerium für Industriehandel, dem es obliegt, die staatliche Industriepolitik zu lenken. Darüber hinaus trägt es die Verantwortung für die finanzielle Ausstattung des Industriesektors. Die Regulierung des Außenhandels fällt nunmehr auch in die Kompetenz der Megabehörde wie die Koordination der Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen im Rüstungsbereich.

Dies sind allesamt Konzepte aus der Mottenkiste, die lediglich Geld verschlingen und die Vetternwirtschaft fördern. Dennoch zählt Masljukow zur Gruppe der gemäßigten Kommunisten. Er konnte es sich erlauben, noch im April gegen die Parteidisziplin zu verstoßen. Damals stimmte er im dritten Wahlgang für Jelzins Wunschkandidaten Serge Kirijenko. Als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses der Duma unterhielt er Kontakte zu den umstrittenen und von seiner Fraktion verteufelten Reformern Anatoli Tschubais und Alexander Liwschitz.

Rußland erlebt zur Zeit eine Reinkarnation der Sowetfossilien. So schlug Präsident Jelzin der Duma gestern Wiktor Geraschtschenko als neuen Chef der Zentralbank vor. Das Parlament wird dem 61jährigen seine Zustimmung nicht verweigern, denn Geraschtschenko genießt einen guten Ruf in oppositionellen Kreisen. Er geizt nicht mit Zuwendungen und schmeißt schon mal für einen befreundeten Industriellen oder ein Mitglied der Agrarierpartei die Notenpresse an.

Geraschtschenko leitete von 1989 bis 1991 die Zentralbank der UdSSR, ab 1992 dann zwei Jahre lang die russische Zentralbank. Durch eine verantwortungslose Emissionspolitik verursachte er im Herbst 1994 den Sturz des Rubels um dreißig Punkte und mußte den Chefsessel daraufhin räumen. Vor diesem Hintergrund ist ein Ausweg aus der wirtschaftlichen Krise nicht zu erwarten.

Trotz allem hat Geraschtschenko Befürworter. Der stellvertretende Präsident der Vereinigung russischer Banken, Wjatscheslaw Sacharow, steht voll hinter ihm. „Er ist nicht nur ein Spitzenprofi, der sein Leben lang im Bankenwesen gearbeitet hat, sondern auch ein überzeugter Anhänger von Reformen.“ Dabei erliege er nicht der Illusion, daß die Marktwirtschaft allein alle Probleme lösen könne. Geraschtschenko habe „einen gesunden konservativen Ansatz“, sagt Sacharow.

Für Jelzin sind Geraschtschenkos Qualitäten nicht ausschlaggebend. Ihm scheint es eher darum zu gehen, die für den Herbst angekündigten sozialen Proteste zu neutralisieren. Die Kommunisten, nun in der Verantwortung, werden die Massen sicher nicht auf sich selbst hetzen. Mit einer lockeren Emissionspolitik begleicht der Staat zunächst seine Schulden bei Angestellten, Pensionären und der Armee. Dann hat die Übergangsregierung ihre Pflicht und Schuldigkeit getan.

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