Press-Schlag: Das ist nicht unsere Eintracht
■ Frankfurts Szene flüchtet nach Freiburg
Kein „Fußball 2000“. Keine tödlichen Pässe (Bein) mehr, keine Flugkopfballtore oder schlicht geschlenzte Bälle (Yeboah), keine Körpertäuschungen mit einem sich nahtlos anschließenden, gezielten Abschluß (Okocha). In der Frankfurter Szene ist man sich einig: Eintracht Frankfurt 1998 – kein Niveau. Nur zum Beispiel: Er behandele den Ball „wie eine Schwuchtel“, beschimpfte Trainer Horst Ehrmanntraut unlängst seinen Aufbauspieler Ansgar Brinkmann. Die „Entschuldigung“: So redeten Männer halt miteinander.
Männer wie Ehrmanntraut.
Kleine Männer, ausgestattet mit (etwas) Macht. Kenner in der Vip- Lounge attestieren schon seit dem ersten (verlorenen) Heimspiel gegen 1860 München „Erstligauntauglichkeit“ – und zwar auf allen Ebenen: Trainer, Mannschaft, Präsidium. Eintracht Frankfurt; erster Kandidat für den Wiederabstieg.
Der Trainer: Berti-Faktor 100 plus. Ein humorloser, zweitligatauglicher (Kampf-) Hund mit Hang zu den „deutschen Tugenden“. Kampf, Kampf, Kampf. Die Mannschaft: Durchschnitt, mit Ausnahme von Weber, Hubtschew und vielleicht Pisont (Ungarn). 34 Spieler im aufgeblähten Kader. Zum Erbarmen harmlos im Angriff. Das punktrettende 1:1 von Brinkmann gegen Stuttgart war ein Strafstoß, das des Chinesen Yang in Gladbach ein Sonntagsschuß.
Das Präsidium: ratlos, und auch zerstritten. Eigentlich normal für die Eintracht. Aber diesmal ist auch der Zoff auf niedrigstem Niveau. Es geht um bezahlte „ehrenamtliche“ Positionen. Und um eine beleidigte „Leberwurst“, den (italienischen) Schatzmeister.
Erbarmen: Vor dieser Eintracht braucht sich kein Gegner zu fürchten. Im Präsidium können schon die Vorbereitungen für die zweite Liga anlaufen. Viel muß nicht mehr getan werden. Die Mannschaft ist (fast) zweitligatauglich. Oder schnell noch zwei, drei neue Spieler einkaufen, um die Klasse dann auch nicht zu halten? Das Geld ist eh knapp. Und noch mehr Durchschnittsspieler kann noch nicht einmal ein Durchschnittstrainer gebrauchen. „Aus und vorbei, da hilft auch kein Jammern, kein Beten, kein Trick“ (Degenhardt).
Kurzum, die Szene ist sich einig: Das ist nicht mehr unsere Eintracht. Wir wären schließlich auch nie auf die absurde Idee gekommen, etwa nach Bochum oder Duisburg zu fahren, um braven Fußwerkern von VfL oder MSV bei der Arbeit zuzusehen. Deshalb trösten wir uns mit einer anderen Mannschaft: dem SC Freiburg. Auch keine großen Namen – aber große Leidenschaften. Selbst Niederlagen sind da sehenswert. Und danach darf im benachbarten Elsaß mit Niveau und mit Edelzwicker gefeiert werden – oder am Kaiserstuhl mit Weißherbst.
Also: Eintracht adele, uns seid ihr los. Und zwar so lange, bis Johan Cruijff kommt – und mindestens fünf Ballzauberer aus aller Welt mitbringt. Klaus-Peter Klingelschmitt
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