: „Eine Stoiber-Wahl und sonst nichts“
CSU ist wie CDU – diese Wahlkampfstrategie der SPD blieb bei der Landtagswahl in Bayern ohne Erfolg. Spitzenkandidatin Renate Schmidt konnte noch nicht einmal die eigene Klientel mobilisieren ■ Von Bernd Siegler
Ich habe Lust auf das, was hier ansteht.“ Vor zwei Wochen wollte die bayerische SPD-Landesvorsitzende Renate Schmidt noch in Bayern bleiben. Die Lust dürfte ihr nach dem für die SPD trostlosen Wahlergebnis in gründlich vergangen sein. „Ich kenne meine Verpflichtungen“, wies sie gestern schmallippig alle Rücktrittsforderungen zurück. Sie werde nach wie vor in Bayern gebraucht.
Spätestens mit dem Absacken der SPD auf nunmehr 28,7 Prozent ist Renate Schmidts Nimbus der erfolgreichen Powerfrau dahin. Vor vier Jahren hatte sie die bayerischen Sozis aus ihrem historischen Tief von 26 Prozent herausgeholt und auf 30,0 Prozent gebracht. Jetzt aber verzeichnet die SPD trotz Schröder-Bonus und Wechselstimmung nur 28,7 Prozent.
Einer muß doch verantwortlich sein
Schon rumort es in der weißblauen SPD, Köpfe werden gefordert, der Wahlkampfstil kritisiert. Man habe, so sagen die Jungsozialisten, auf einen „weitgehend inhaltsleeren Wahlkampf“ gesetzt und eigene Vorstellungen „glattgeschliffen“. Die SPD hatte darauf gesetzt, die Gleichung „Bayern = CSU“ aufzubrechen. Renate Schmidt mit Dirndl und Maßkrug, stets lebensfroh und jovial, von den Plakaten eine „schöne Sommerzeit“ wünschend – das sollte die Emotionen der Wähler ansprechen.
Anstatt eigene Akzente zu setzen, versuchte sie Bayerns Ministerpräsidenten Stoiber den Titel des Zahlen- und Statistikmeisters streitig zu machen. Doch darin ist Stoiber Champion. Während der sich in schnöder Regelmäßigkeit seiner „hervorragenden Bilanz Bayerns“ rühmte, wirkte Renate Schmidts Mäkeln wie Miesmacherei, zumal sie sich dann auch noch ohne Not der CSU als Koalitionspartnerin andiente.
Lediglich auf eine „Kohl muß weg“-Stimmung zu setzen war zuwenig und ging an der Stimmungslage im Freistaat gründlich vorbei. 78 Prozent der Wähler sind zufrieden mit der wirtschaftlichen Lage in Bayern. Renate Schmidt konnte schließlich noch so oft darauf hinweisen, daß unter Stoibers Regie die Arbeitslosenzahlen in Bayern überdurchschnittlich um 35 Prozent stiegen, trotzdem weist das Land die niedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland auf. In der Rangfolge der wahlentscheidenden Themen führte der Arbeitsmarkt sowieso unangefochten vor der Ausländerpolitik. Die aber gestaltet CSU-Innenminister Günther Beckstein so, daß er sogar den rechtsextremen Reps die Wähler streitig machte.
Während Renate Schmidt lamentierte, daß die Staatsregierung so kurz vor der Wahl die Veröffentlichung des Sozialberichts verhinderte, weil die Zahlen über die Armut im Freistaat nicht gerade schmeichelhaft für die CSU wären, umgarnte Landesvater Stoiber geschickt die Wähler: Bayern sei der „Motor Deutschlands“, die „Nummer eins“, eine „moderne Weltregion“. Wer dies bestreite, gehöre zu den „Lädscherten“ und „Transusen“.
Mit dem Slogan „CSU = Kohl“ wollte die bayerische SPD auf die bundespolitische Verantwortung der CSU hinweisen. Auch dies ging daneben. „Es war eine Stoiber-Wahl und sonst nichts“, gibt nun Renate Schmidt zu und zollt dem Ministerpräsidenten ihre Anerkennung dafür, daß er sich geschickt von Kohl abgesetzt habe. Ganz so stimmt das nicht. „Mit Bayern gewinnt Deutschland“, hatte die CSU stets auf die bundespolitische Bedeutung der Landtagswahl hingewiesen und sich mit den „schlechtesten Länderbilanzen von Schröder und Lafontaine“ beschäftigt.
Stoiber hat bei vielen einen Stein im Brett
Die Rechnung ging vor allem in den Großstädten auf. In Nürnberg, Ingolstadt, Regensburg und Bamberg verlor die SPD zwischen 1,3 und 4,4 Prozent, in der Landeshauptstadt München gar 4,7 Prozent. Dort hatte auch die CSU die höchsten Gewinne zu verzeichnen. Sie hatte mit ihrer Ankündigung, den 14jährigen Serienstraftäter „Mehmet“ samt Eltern schnellstmöglich abzuschieben, die Stimmung hochgekocht. In der einstmals traditionell roten Hochburg Nürnberg/Fürth/Erlangen, die die CSU bei den Kommunalwahlen vor zwei Wochen überraschend schleifte, baute sie ihre Position weiter aus. Kein Wunder, hat Stoiber doch bei rund einem Drittel der SPD-Wähler einen großen Stein im Brett.
Daß die SPD nicht einmal ihre eigene Klientel für die Spitzenkandidatin mobilisieren konnte, machte das Vorhaben von Renate Schmidt schließlich unmöglich, den bisherigen 30 Prozent ein gewünschtes „XXL“ hinzuzufügen. Guter Rat ist nun teuer bei den weißblauen Sozis.
„Renate Schmidt ist unersetzlich“, gesteht Generalsekretär Wolfgang Hoderlein. Wer ihren Rücktritt fordere, kenne die Realitäten nicht. Vor der Bundestagswahl wird es auf jeden Fall in der bayerischen SPD keine Personalentscheidungen geben. Bis dahin will man mit der „Aktion Bürgertelefon“ den Wechsel voranbringen, wenn schon der „Auftakt zum Wechsel“ danebengegangen ist.
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