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Gewerbeflächen neben KZ-Ruinen

■ Wo in Farge tausende KZ-Häftlinge am Bunker Valentin bauten, ist jetzt ein Geschichtslehrpfad geplant /Der Bausenator will dort aber lieber Gewerbe ansiedeln

Lila blüht das Heidekraut in der Rekumer Geest. Ein Maisfeld unter Altweibersommer-Himmel, Pilzsucher. Und halbverborgen unter Birken und Gestrüpp riesige verfallene Rundbunker. 4.000 Menschen sind hier zwischen 1943 und 1945 beim Bau des U-Boot-Bunkers Valentin in Farge-Rekum umgekommen. Jetzt soll hier ein Geschichtslehrpfad entstehen – zugleich aber wird die Umwidmung des Landschaftsschutzgebietes in Gewerbeflächen vorangetrieben.

Am Montag wird den Einwohnern von Rekum der künftige Flächennutzungsplan vorgestellt. Doch gegen das Gewerbegebiet organisiert sich jetzt der Widerstand. „200 bis 300 Leute kommen bestimmt“, schätzt Rolf-Dieter von Bargen von der Initiative Farge-Rekum: „Keiner hier versteht, warum Gewerbe her soll, wo es in Schwanewede preiswertere und verkehrstechnisch viel besser angebundene Flächen gibt.“

Doch nicht nur ein möglicher Verlust der blühenden Landschaften vor der eigenen Haustür treibt die Rekumer Initiative um. Denn die 30 Hektar große Gewerbefläche soll zwischen dem Nazi-Bunker Valentin und sieben Lagern entstehen, in denen in den letzten zwei Kriegsjahren KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und Zuchthäusler vegetierten. „Vernichtung durch Arbeit“, so hieß das Konzept, und täglich waren tausende von Häftlingen auf der Lagerstraße unterwegs zur Baustelle am damals größten U-Boot-Bunker der Welt.

Die Lagerstraße gibt es noch immer. Und auch die Ruinen-Reste der Lager, rund drei Kilometer von der damaligen Baustelle entfernt: Überreste der runden Treibstoffbunker, in denen die Häftlinge des KZ-Außenlagers Neuengamme hausten und starben.

Zum Teil befinden sich diese Überreste heute auf einem Truppenübungsgelände der Bundeswehr-Kaserne Schwanewede. Die Bundeswehr, so von Bargen, zeige sich sehr kooperativ, sowohl in Schwanewede als auch am Bunker Farge, der heute ein Marine Depot beherbergt. Am kommenden Mittwoch werden sich gemeinsam mit dem Schwaneweder Bürgermeister und ansässigen Heimatvereinen erstmals alle an einen Runden Tisch setzen, um ein Konzept für den Geschichtspfad auszuarbeiten. Einen öffentlichen Zugang zu den Lagerruinen auf dem Truppenübungsplatz habe dessen Standortältester zugesagt, auch Arbeitskräfte, die bei der Freilegung der teils unterirdischen Gewölbe mit Hand anlegen. Und von der Hardthöhe gab es positive Signale, die selbst die Integration des U-Boot-Bunkers in ein künftiges Dokumentations- und Informationszentrum Bunker Farge nicht ausschloß.

Äußerst zugeknöpft hingegen habe sich der Senat gezeigt, klagt von Bargen. Drei Briefe mit der Bitte um Unterstützung habe er an die Senatskanzlei geschickt – auf zwei sei gar nicht reagiert worden, auf den dritten nur höchst unverbindlich. Auf Rückfrage dazu Senatssprecher Klaus Sondergeld: „Es gibt hier lediglich ein Schreiben mit der Bitte um Kenntnisnahme.“ Bausenator Bernt Schulte habe sich am 19. August, bei einem anberaumten Gespräch über Alternativen zur Gewerbeflächen-Ausschreibung, „völlig kompromißlos“ gezeigt. Es müsse doch einen fürchterlichen Eindruck auf die ehemaligen Häftlinge machen, „wenn da rundherum um die Lager und ihren Leidensweg zur Bunker-Baustelle irgendwann alles zubetoniert wird“, sei ihm vorgehalten worden. „Mich interessieren nicht so sehr die ehemaligen Gefangenen“, habe der Bausenator geantwortet, „sondern die Jugendlichen, die da was lernen können.“ Bernt Schulte bestätigte gestern sinngemäß diese Aussage, betonte jedoch seine grundsätzliche Sympathie für den geplanten Geschichtspfad. Man könne dafür bei einer späteren Gewerbebebauung auch Flächen freihalten, so sein Sprecher.

Über eine vernünftige Gesamtkonzeption für eine künftige Gedenkstätte denken hingegen schon seit längerem zwei Hamburger Architekturstudenten im Rahmen ihrer Diplomarbeit nach. Am heutigen Freitag stellen sie ihre Pläne dem Initiativkreis in Farge vor.

ritz

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