: Eine schrecklich nette Familie
Schrecklich zur Presse, nett zur Welt: Die Teenie-Stars von der Kelly Family betreiben eine Medienpolitik wie sonst nur Diktatoren ■ Von Kerstin Meier
Sie singen von Liebe, Frieden und roten Rosen. Aber an der Pressefront kämpfen sie mit harten Bandagen. Die Kelly Family läßt kaum Journalisten an sich heran, von Fotografen ganz zu schweigen. Mitarbeiter müssen Stillschweigen geloben, und bei falschen Interviewfragen droht der geballte Haß des Kelly-Clans. Der Deutsche Journalistenverband ruft sogar zum Boykott der Kelly- Family auf – wegen Verstoßes gegen die Pressefreiheit.
Dabei brauchen sie einander, die Presse und die Kelly Family. Ohne Kellys keine Auflage, ohne Presse keine Promotion. Doch die Band und die Journalisten können sich nicht leiden. Welche Seite damit angefangen hat, die andere zu verachten, läßt sich nur schwer nachvollziehen. Nach der Kelly-Legende stammt ihr Medien-Mißtrauen aus der Zeit, in der sie als Straßenmusikanten umhertingelten. Statt Schlagzeilen erntete die singende Sippe damals nur Spott und Häme von der Journaille. Später dann, als sie die Fußgängerzonen gegen Stadien tauschten, war die Genugtuung groß, der Presse zu zeigen, wer am längeren Hebel sitzt.
Der Hebel der Kelly Family ist die 1988 gegründete Marketingfirma „Kel-Life“, die es der Band ermöglicht, unabhängig vom üblichen Musikbusineß zu schalten und zu walten und zu verdienen. Denn zu den Plattenfirmen gestaltete sich das Verhältnis ähnlich schwierig wie zur Presse. Lediglich der Vertrieb der Kelly-Scheiben läuft über die EMI in Köln. Ansonsten regelt alles Kel-Life: Tourneen, CD-Produktion und die üblichen Devotionalien für den Staraltar. Zu Promotionzwecken hütet die Familienfirma einen umfangreichen Schatz von Fan-Adressen.
Die Fäden des Kelly-Imperiums hält als alleiniger Geschäftsführer Daniel Jerome Kelly („Papa Dan“) in der Hand. Dabei verhält sich das 67jährige Familienoberhaupt, der als Ersatz für die obligatorische Mähne mit einem beeindruckenden Rauschebart bestückt ist, recht eigensinnig. Nur wer eine lupenreine Pro-Kelly-Berichterstattung vorweisen kann, darf auf Exklusivinformationen hoffen.
Eine der wenigen Auserwählten ist Bravo-Redakteurin und Kelly- Fan Wilma Schönhoff. „Bravo hat sich nicht so sehr an Äußerlichkeiten hochgezogen wie die anderen“, sagt sie zur Erklärung, „die Kellys sind zwar nicht immer optimal gebügelt und gestärkt, aber wir haben auch ins Herz geguckt.“ Und so hat auch die Band früh ihr Herz für die Bravo entdeckt. Die Zusammenarbeit könnte nicht besser laufen: Kaum eine Ausgabe des Teenie-Magazins ohne Kelly- Songtexte, Kelly-Aufkleber oder Homestories vom Hausboot. Andere Zeitschriften nennen die Bravo das „Zentralorgan der Kellys“ und raunen von vertraglich abgesicherter Kooperation. Hofberichterstattung? „Natürlich gibt es eine gewisse Zusammenarbeit, aber die gibt es genauso auch mit anderen Stars“, sagt Bravo-Frau Schönhoff. Soviel Herzlichkeit wie Bravo erfuhr sonst nur einmal ausgerechnet die Praline. Ein Artikel in dem Sexblatt, das im selben Haus wie Bravo erscheint, gefiel dem Clan so gut, daß sie in der Redaktion vorbeischauten, um dort in den höchsten Tönen ein Dankeskonzert zu schmettern.
Anderen ergeht es schlechter. Offizieller Lieblingsfeind am Hofe: Das Jugendmagazin Popcorn. „In einem Interview mit dem Stern bekannte Dan Kelly einmal, daß es sein größter Wunsch sei, die Popcorn zu kaufen und den Chefredakteur rauszuschmeißen“, erinnert sich Jürgen Winzer, der stellvertretende Chefredakteur des Blattes. Der vermutete Grund für die Quarantäne: „Wir haben die Kellys am Anfang unterschätzt, daß hat uns Papa Dan nie verziehen.“ Es folgte „eine lange Tradition von Mißverständnissen und Rechtsstreitigkeiten“. In der Ächtung ist Daniel Kelly rigoros: keine CDs, keine Infos, keine Konzerte und erst recht keine Interviews. „Papa Dan hat einen Apparat aufgebaut, und wer sich da nicht einfügt, der wird mit einem Bannstrahl geächtet“, sagt Winzer, „es berichten nur die, die devot genug sind, um von ihm abgesegnet zu werden, das sind Bravo und das Starblatt Hit. Wir haben da nicht mitgespielt.“ Ob dieser Medienstrategie wunderte sich die Zürcher Weltwoche: „Ein Pressekontrollsystem, das jeder Diktatur würdig wäre“.
Verletzter Stolz, Berechnung, Desinteresse – es gibt viele Erklärungen für die rigorose Pressepolitik des Kelly-Clans. Fest steht nur, daß sie sich damit nicht immer selbst nützen. Zwar dringt nur ein streng kontrolliertes Ideal-Image aus Kelly-Hand an ausgewählte Medien. Alle anderen jedoch vergelten dies mit um so negativeren Berichten. „Das Image machte so lange Sinn, bis es dann ins Gegenteil umgeschlagen ist und die Bild- Zeitung und die Regenbogenpresse kampagnenmäßig gegen die Kelly Family berichtet haben“, erzählt Popcorn-Mann Winzer: „Die haben die erste Chance genutzt, um denen ans Bein zu pissen.“ Ausgiebig freut die Presse sich über jeden Rechtsstreit, und die Fotografen drücken ab, sobald sie Kelly-Chaos vor die Linse bekommen. Da wurde selbst die Pressesprecherin der Kellys so medienscheu, daß sie zwar zu diesem Thema einiges zu erzählen hat, aber auf gar keinen Fall zitiert werden will.
Noch heikler, als eine Geschichte über die Kellys zu bekommen, ist es, Fotos von den Teenie- Stars zu machen. Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten, ein Bild von der Kelly Family zu bekommen: Entweder man verlegt sich auf illegale Paparazzi-Fotos, oder man heißt Thomas Stachelhaus. Der ist seit zehn Jahren Haus- bzw. Bootfotograf der Kelly Family und als einziger offiziell berechtigt, die Kelly-Kids und ihren Vater abzulichten. Das sichert nicht nur perfekte Kontrolle über ein gefälliges Kelly-Bild, sondern auch satte Einnahmen bei der Vermarktung.
Damit auf Konzerten kein Fotograf die Gelegenheit bekommt, ein ungenehmes Foto zu schießen, muß er rigide Verträge unterzeichnen. Sogar die Objektivbrennweite wird vorgeschrieben, um sicherzugehen, daß man nicht mehr als ein paar Gestalten mit wallendem Haar erkennt. Zudem dürfen die Aufnahmen nur einmal für den Konzertbericht verwendet werden und sind danach zu vernichten. Unmöglich für freie Fotografen, die ihre Bilder mehrmals verkaufen müssen. Bereits im letzten Jahr hatte sich der Deutsche Journalistenverband (DJV) über „schwerwiegende Eingriffe in die Pressefreiheit“ beschwert. Die Stuttgarter Zeitung druckte statt eines Kelly- Bildes einen weißen Raum – nebst einem empörten Hinweis.
Der Protest ließ die Kellys kalt: Den Fotografen wurden in diesem Jahr ungerührt die gleichen Verträge präsentiert. Daraufhin blieben die meisten den Konzerten erbost fern, und der DJV rief zum Kelly-Boykott auf. Zwar gebe es ähnliche Verträge bei manchen Stars, doch der Kelly-Kontrakt sei „der Hauptknebelungsvertrag“, sagt Uli Krausman vom DJV Baden-Württemberg: „So weit geht sonst keiner.“ „Die haben es fanatisch auf die Mark abgesehen“, urteilt Sven Hansel, Kolumnist des Express in Köln, wo die Kellys von 1988 bis 1997 mit ihrem Hausboot vor Anker lagen. Die Kelly-Firma Kel-Life hingegen läßt verlauten, man wolle nur die Fans vor überzogenen Preisen schützen. Inzwischen funktioniert die Kelly-Legende von der verschmähten Straßenband auch umgekehrt: „Viele Fotografen sind besonders sauer“, schreibt das Fachblatt Journalist über die knallharte Kontrolle der Kellys, „sie haben die Kellys, die ihnen jetzt die Arbeit unmöglich machen, vor wenigen Jahren noch in der Fußgängerzone abgelichtet.“
Seit sie ihr Boot im letzten Jahr verließen, residieren die Kellys übrigens in Schloß Gymnich bei Bonn, einem früheren Gästehaus der Bundesregierung. Da logierten vor ihnen illustre Gäste wie Breschnew oder Indira Gandhi.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen