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Bremer CDU fürchtet jetzt übermütige SPD

■ Offiziell wird das Wahlergebnis im Bund keine Auswirkungen auf die Bremer Koalition haben. Unter der Hand kündigen Politiker bis zur Bürgerschaftswahl aber ein schärferes Klima zwischen SPD und CDU an

Die Spitzen der Bremer Großen Koalition aus SPD und CDU bemühten sich gestern abend, den Unterschied zwischen Bundes- und Landespolitik herauszustellen. Beides könne man „nicht in einen Pott werfen“, sagte Senatspräsident Henning Scherf. Aus dem Sieg der SPD könne man „in keiner Form darauf schließen, was bei der Bürgerschaftswahl passieren“ werde.

Auch Finanzsenator Hartmut Perschau beeilte sich, nach eingestandener CDU-Niederlage die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten in Bremen zu preisen: „Wir haben hier eine gute Koalition, die werden wir in aller Ruhe fortsetzen.“ SPD-Landeschef Detlef Albers sieht das jedoch anders. Unabhängig vom Bremer Wahlergebnis, das das statistische Landesamt bis gestern abend um 20.30 Uhr nicht bekanntgeben konnte, erwartet er Auswirkungen des Wahlergebnisses auch auf die Bremer Politik: „Man kann von einem fast erdrutschartigen Politikwechsel sprechen“, sagte der Bremer SPD-Vorsitzende Albers.

Vor einer selbstbewußten SPD graut es auch so manchen CDU-Politiker. Die Sozialdemokraten könnten „übermütig werden“, so der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Frabk Lutz. Er befürchtet ein rauheres Klima zwischen den Koalitionären bis zur Bürgerschaftswahl am 6. Juni.

SPD-Bürgermeister Hennig Scherf geht davon aus, daß Bremen in jedem Fall von dem Sieg der Sozialdemokraten in Bonn profitieren werde. Der neue Kanzler Gerhard Schröder kenne als Niedersachse die Probleme des Stadtstaates.

Und wenn der Saarländer Oskar Lafontaine sein Finanzminister werde, hätte sicher auch Bremen etwas davon, sagt Scherf. Die Verhandlungen mit dem Bund um neue Sanierungshilfen für Bremen könnten dann einfacher werden.

Wieviele der rund 500.000 wahlberechtigten BremerInnen gestern zu den Urnen gegangen waren, stand gestern abend bis Redaktionsschluß nicht fest. Ergebnisse aus Bremer Wahlkreisen oder die Zahl der Zweitstimmen im Lande gab es ebenfalls nicht zu hören. Und das zu einem Zeitpunkt, wo der Bayer Theo Waigel im Fernstehen schon munter das 48-Prozent-Resultat seiner CSU ausplauderte. Insgesamt rechnete Wahlleiter Dieter Matthey aber aufgrund Prognosen vom Nachmittag gegen 14 Uhr von 54,1 Prozent mit einem Rekordergebnis bei der Wahlbeteiligung. Vor vier Jahren hatte die Quote bei 78,5 Prozent gelegen. Ein Grund für die hohe Beteiligung dürfte neben der „Jahrtausendwahl“ die anstehende Bürgerschaftswahl am 6. Juni kommenden Jahres sein.

Vor vier Jahren war die SPD bei der Bundestagswahl in Bremen noch der große Gewinner gewesen. 45,5 Prozent und sämtliche der drei Wahlkreise hatten die GenossInnen an der Weser abgesahnt. Die CDU erreichte lediglich 30,2 Prozent, durfte damit aber immerhin noch zwei Abgeordnete in den Bundestag schicken. Die Grünen landeten mit einem Mandat bei 11,1 und die FDP bei 7,2 Prozent. Wie wenig sich dieses Ergebnis dann aber für die Bürgerschaftswahlen 1995 ableiten ließ, zeigten die Ergebnisse dieser Landtagswahl. Die SPD konnte sich nur knapp als stärkste Partei behaupten mit 33,4 Zählern. Dichtauf folgte bereits die CDU mit einem Ergebnis von 32,6 Prozent.

Verbessern konnten sich auch die Grünen. Sie zogen mit 13,1 Prozent in die neue Bürgerschaft ein. Der FDP, gerade noch auf der Bremer Regierungsbank, blieb das Lachen im Halse stecken. Mit nur 3,4 Prozent flogen die Liberalen aus dem Bremer Landtag raus.

Jens Tittmann

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