: Grüne: „Jetzt ist alles anders“
■ Interview mit Helga Trüpel über das Wahlergebnis der Grünen: „Wenn man uns nicht bemerkt hätte, hätten wir jetzt nicht dieses Ergebnis“
taz : Frau Trüpel, die Grünen haben allen Grund zur Freude. 6,6 Prozent der Wähler haben den Grünen bundesweit ihre Stimme gegeben, 11,25 Prozent waren es in Bremen. Marieluise Beck darf nach Bonn. Nach der Mallorca-Debatte und der Forderung nach fünf Mark pro Liter Benzin hatte damit vor Monaten niemand gerechnet. Was haben Sie gemacht?
Helga Trüpel, Fraktionssprecherinder Grünen: Die Stimmung hat sich deutlich nach dem Parteitag in Magdeburg und der Sommerpause geändert. Die Grünen in Bremen waren ein richtiges Team. Alle haben mitgearbeitet, weil sie das Gefühl hatten, daß es ums Ganze geht. Diese Herausforderung hat so etwas wie einen internen Schwung ausgelöst.
1995 hatten die Grünen bei der Bürgerschaftswahl aber 13,06 Prozent. Bei der Bundestagwahl waren es 11,25 Prozent. Das ist doch aber ein Verlust.
Sie müssen dieses Ergebnis mit den anderen Bundestagswahlen vergleichen. Wir haben im Verhältnis zur letzten Bundestagswahl gewonnen, und zwar obwohl uns der Wind so ins Gesicht geweht ist. (Anmerkung der Red.: In der Stadt Bremen hatten die Grünen bei der Bundestagswahl 1994 11,93 Prozent, 1998 12,28 Prozent). Das heißt für die nächste Bürgerschaftswahl natürlich, daß wir da noch was oben drauflegen müssen.
Was haben die Grünen für Wähler?
Wir haben ein Stammwählerpotential, das nicht so groß ist. Wir haben in den bürgerlichen Wohnvierteln gewonnen. Also die Wähler, die man zum neuen alternativen Mittelstand zählt. Außerdem haben wir in Walle und Gröpelingen zugelegt.
Die CDU hat verloren. In Bremen haben wir eine Große Koaltion. Grüne und PDS haben zusammen fast 14 Prozent.
... über 60 Prozent haben rot-grün gewählt.
Und trotzdem bemerkt man die Opposition nicht.
Das sehe ich anders. Wenn man uns nicht bemerkt hätte, hätten wir jetzt nicht dieses Ergebnis. Wenn man sich zum Beispiel die Debatte um den Space-Park anguckt, da sind wir die einzigen, die den Mund aufmachen. Alle jubeln dem Köllmann zu.
Aber beim Knast-Untersuchungsausschuß sind die Grünen eingeknickt und haben ihre Rücktrittsforderung an Justizsenator Henning Scherf (SPD) zurückgezogen.
In beiden Untersuchungsausschüssen haben wir eine saubere Arbeit hingelegt und die Mißstände aufgeklärt. Für uns ist das Ergebnis erstmal ein riesiger Motivationschub. Und nach diesem Dämpfer für die CDU ist in Bremen jetzt alles anders, weil man nicht mehr davon ausgehen kann, daß die Große Koalition von CDU und SPD ein Selbstläufer ist.
Fragen: Kerstin Schneider
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