: Nicht alle Wünsche werden finanzierbar sein
■ Wenig Geld, wenig Solidarität, viele Arbeitslose: Rot-grüne Sozialpolitik muß bescheiden sein
Die erste Drohung kam sofort: Sollte der künftige Bundeskanzler Gerhard Schröder die Einschränkung bei der Lohnfortzahlung und beim Kündigungsschutz aufheben, dann wollen sich die Arbeitgeber nicht mit ihm an einen Tisch setzen, um über ein Bündnis für Arbeit zu verhandeln. So warnte gestern Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. DGB-Chef Schulte wiederum forderte, eben besagte Kürzungen der Kohl-Regierung zurückzunehmen. Eine rot-grüne Sozialpolitik muß zum Balanceakt werden.
„Nicht alles, was wünschbar wäre, ist auch finanzierbar“, hat die SPD warnend in ihr Wahlprogramm geschrieben. Am schwierigsten wird das bei der Rentenfrage. Die SPD kündigte in ihrem Wahlprogramm zwar an, die „unsoziale Rentenkürzung“ „unmittelbar“ nach der Bundestagswahl zu korrigieren. Eine völlige Rücknahme ist jedoch aus finanzpolitischen Erwägungen unwahrscheinlich. Die Grünen sind für eine Mindestsicherung, die Armut im Alter verhindert. Ein ähnliches Anliegen hat der künftige SPD-Arbeitsminister Walter Riester. Hier könnten sich SPD und Grüne treffen.
Der Kreis der Rentenversicherungspflichtigen soll nach dem Willen von SPD und Grünen erweitert werden. Scheinselbständige, Selbständige und geringfügig Beschäftigte müßten dann auch miteinzahlen. Dies bedeutete eine völlige Neuorientierung des Rentensystems.
Schröder hat schon angedeutet, daß er die geringfügigen 620-Mark-Jobs nicht völlig der Sozialversicherungspflicht unterwerfen will.
SPD und Grüne versprachen, die 100prozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Einschränkung des Kündigungsschutzes wieder zurückzunehmen. Wird eine rot-grüne Koalition dies zur Sollbruchstelle eines „Bündnisses für Arbeit“ mit der Wirtschaft machen? Vielleicht nicht. DGB-Chef Dieter Schulte hat die Rücknahme dieser Kürzungen vorsorglich nicht zur Vorbedingung von Bündnisgesprächen gemacht. Die 100prozentige Lohnfortzahlung ist in großen Branchen tariflich gesichert. Der eingeschränkte Kündigungsschutz wird vor allem vom Mittelstand verteidigt.
Ein „Bündnis für Arbeit“ ist das zentrale Schlagwort auch für eine rot-grüne Regierung. Als Sofortmaßnahme will die SPD 100.000 Ausbildungs- oder Arbeitsplätze für erwerbslose Jugendliche schaffen. Lohnkostenzuschüsse für Billigjobs sind geplant. Dabei sollen die Sozialversicherungsbeiträge für Billigjobs subventioniert werden. Die SPD favorisiert ansonsten Teilzeitmodelle, wie etwa Einstiegsteilzeit für Jugendliche. Jobrotationsmodelle wie in Skandinavien stehen gleichfalls im Wahlprogramm.
Ähnlich wie die CDU möchte die SPD auch bei Sozialhilfeempfängern kürzen, die eine angebotene Arbeit ablehnen. Einen solchen „Arbeitszwang“ lehnen die Grünen jedoch ab.
An neuen sozialen Wohltaten verspricht die SPD nur wenig, und dies steht im Wahlprogramm ohnehin unter einem „Finanzierungsvorbehalt“. So soll die Gesundheitsreform korrigiert werden. Chronisch Kranke und ältere Patienten müssen demnach keine höheren Zuzahlungen für Medikamente mehr leisten – wenn dies umgesetzt wird.
Die SPD hat im Rahmen der geplanten Steuerreform versprochen, eine „durchschnittlich verdienende Familie mit zwei Kindern“ pro Jahr um rund 2.500 Mark zu entlasten. Das Kindergeld soll erhöht werden. Dabei werden auch Vermögende wieder mehr belastet: Grüne wie auch SPD kündigten an, die Steuer auf private Vermögen wieder einzuführen. Barbara Dribbusch
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