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Vom Bittsteller zum Makler

■ Bundesweit erste WohnungsGenossenschaft für Behinderte in Bremen gegründet / Wohnraum für Behinderte ist Mangelware / Zehn neue Wohnungen pro Jahr geplant

Jetzt kümmern sich die Behinderten in Bremen selber darum, behindertengerechten Wohnraum zu schaffen. Bundesweit erstmalig gründete sich eine WohnungsGenossenschaft für Behinderte. Das scheint dringend nötig: die vorhandenen Wohnungen für Rollstuhlfahrer reichen hinten und vorne nicht. Neubauten gibt es kaum, denn fast immer werden bei neuen Projekten die Behinderten vergessen. Schon eine Stufe kann die Wohnung für einen Behinderten unbrauchbar machen. Die Warteliste im Bremer Amt für Soziale Dienste, Abteilung Wohnungshilfe, für die vorhandenen Wohnungen ist 200 Menschen lang - da kann es bis zum Jahr 2010 dauern, bis man eine Wohnung bekommt.

„Wir haben hier oft Anfragen von Behinderten, die nach Wohnungen suchen“, berichtet Horst Frehe vom Verein Selbstbestimmt Leben im Ostertorsteinweg. „Das wir kaum helfen konnten, war für uns keine befriedigende Situation“. Also gründete Frehe zusammen mit sechs weiteren Behinderten die neue Genossenschaft, die behindertengerechten Wohnraum in den einzelnen Stadtteilen schaffen oder kaufen will. Aus der Käufer-Position, so die Idee, lassen sich Umbau-Forderungen natürlich sehr viel leichter formulieren als aus der Bittsteller-Position.

5.000 Mark kostet ein Genossenschaftsanteil, in Raten bezahlbar. Ab 50.000 Mark Einlage hat man Anspruch auf die Vermittlung einer Wohnung. Die wird dann zu marktüblichen Preisen vermietet.

„Die meisten von uns sind natürlich arme Schlucker“, so Frehe. Deshalb wurde ein Deal mit der Sozialverwaltung ausgehandelt: In bestimmten Fällen zahlt die Behörde die Einlage, mit der die Genossenschaft dann Wohnraum bauen läßt. Denn der behindertengerechte Umbau von Wohnungen kostet die Behörde oft viel mehr. Die Miete fließt dann an die Genossenschaft, die mit dem Geld weitere Wohnungen bauen kann. Zehn neue Wohnungen pro Jahr sollen den behindertengerechten Wohnungsbestand dann langsam aber sicher auffüllen. Ab 50 Wohnungen, so die Schätzung, würde die Genossenschaft stabil wirtschaften.

Das Geld für den Wohnungsbau kann auch von privaten Investoren kommen: Die könnten mit dem Bau vor allem Steuern sparen. Außerdem verspricht die Genossenschaft, daß die Wohnung vermietet wird. Nach zehn Jahren, wenn die Wohnung steurlich abgeschrieben ist, bietet die Genossenschaft an, die Wohnung zu kaufen – wieder wäre mehr Behinderten-Wohnraum geschaffen worden.

Die Zeit für die Genossenschafts-Gründung scheint günstig: Zinsen für Bau- und Wohnungskauf-Kredite, ohne die auch die Genossenschaft nicht auskommen wird, sind niedrig. Und: das Wohnungsangebot ist derzeit groß. „Wenn man Geld hat, sind die Wohnungsbaugesellschaften durchaus bereit, umzuplanen“, stellte Frehe in den letzten Monaten fest. Und das Geld kommt jetzt von der Genossenschaft. Christoph Dowe

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