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Klingt wie Pistazien

Einfach Songs schreiben, zur Gitarre greifen und Pop machen: Die britische Band Drugstore spielt im Knaack  ■ Von Thomas Winkler

Es war nur ein Stürmchen im Wasserglas, eine müde Schlagzeile inmitten der Hysterie um präsidiale Zigarren. Aber für eine eher unbekannte Band wie Drugstore ist es willkommene Verkaufsförderung, wenn man in US-Zeitungen auftaucht, weil man zum Präsidentenmord aufgefordert hat. Dem sei so gewesen in „El President“, der letzten Single des Londoner Quartetts. Auf der sang Sängerin Isabel Monteiro im Duett mit Thom Yorke von Radiohead sehr verführerisch und eher wenig kämpferisch, aber doch eindeutig hörbar: „Kill the President“. Für die US-Tour hat man dann T-Shirts drucken lassen, auf denen das „K“ durch ein „B“ ersetzt wird.

Daß es darum überhaupt Aufregung geben konnte, sagt einiges über den Zustand Amerikas und auch über Medienmechanismen, aber so gut wie nichts über Drugstore. Monteiro könnte sich vielleicht darauf rausreden, als gebürtige Brasilianerin mit der englischen Sprache so ihre Schwierigkeiten zu haben. Tatsächlich ist es wohl aber nicht die Syntax, die hier zu Mißverständnissen führt, sondern daß Monteiro die Gedankenwelt des Landes, in dem sie geboren wurde, in der Sprache zum Ausdruck bringt, die sie erst später gelernt hat. So behauptet sie zwar, die Voodoo-Puppen, die sie bastelt, seien nur ein Scherz, aber zumindest ihre Texte sind doch leicht verstörend. Man versteht zwar die Worte, nicht aber ihre Bedeutung. Doch was kümmert es schon, wenn Monteiro in „Spacegirl“ gern wie ein solches leben möchte.

Soll sie es doch tun, solange sie uns auch noch aus dem Weltraum mit diesen großartigen Melodien versorgt, die immer ein paar kleine Schlenker zuviel machen und trotzdem so logisch eingängig klingen. Und dieser Stimme, die mal an PJ Harvey, machmal sogar an Patti Smith erinnert. Und diesen Gitarren, die sehr elektrisch und sehr breit sind, ohne immer gleich Nirvana zu sein. Kurz: Diese zwar nicht brasilianischen, aber eben auch ganz und gar unbritischen Qualitäten.

Die Geschichte von Drugstore ist trotzdem eine Geschichte, wie sie so nur in Britannien passieren kann. Weil sie zu faul waren, die üblichen Demobänder aufzunehmen, preßten sie 1993 ihre erste Veröffentichung „Alive“ auf eigene Kosten und wurden im Melody Maker prompt zur Single der Woche erkoren. Wenig überraschend, daß sie anschließend die gesamte Auflage von 500 Stück problemlos los wurden, auch wenn sie doch vor allem Rockschemata varriierten. „Ich schreibe die Songs“, sagt Monteiro, „dann spielen wir sie.“ So einfach kann das manchmal sein. Mit diesem recht amerikanischen Ansatz und dem Debütalbum von 1995 wirkten sie inmitten pilzköpfiger Horden von Oasis-Epigonen notgedrungen außergewöhnlich.

Daß Gitarrist Daron Robinson allerdings als sein „surrealstes Erlebnis“ erst kürzlich wieder den „Charts-Erfolg“ seiner Band angibt, liegt daran, daß nach dem frühen Hype die Plattenfirma pleite ging und die Band gleich mit. Drugstore verkauften ihre Verstärker und das restliche Equipment und begannen, so geht die Legende, mit der letzten verbliebenen Akustikgitarre wieder dort, wo man angefangen hatte: in den kleinen Londoner Clubs.

Diese Zwangsreduktion ist auf der zweiten und aktuellen Platte „White Magic for Lovers“ allerdings nicht zu hören, schon allein deshalb, weil sie zum großen Teil vor der Pleite aufgenommen wurde und die Veröffentlichung fast ein Jahr wegen Rechtsstreitigkeiten blockiert war. Auf „White Magic“ haben sie ihre schon immer zum epischen neigenden Songstrukturen eher noch einmal verbreitert. Der gute, alte, dramatische Aufbau eines Rocksongs, der einmal vollkommen verdientermaßen in der Asservatenkammer gelandet war, wird bei ihnen wieder entstaubt. Wären Drugstore eine Eiscreme, hat Robinson einmal gesagt, die Geschmacksrichtung wäre Pistazie und Paranüsse. Paranüsse deshalb, weil die in England Brazil Nuts heißen. Aber wie zum Teufel hören sich Pistazien an?

Mit Chokebore, heute 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

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