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Blutleere Killer

■ Mehr wäre mehr gewesen: Ben Eltons „Popcorn“ im Theater in der Basilika

Früher waren die Eltern an allem schuld. Oder die Gesellschaft. Heute sind es die Medien. Wenn Menschen morden, haben sie sich gerade einen bluttriefenden Film angeschaut. Daß es nicht ganz so einfach funktioniert, wissen zwar auch die „Mall Killer“, ein wahllos mordendes Pärchen, das in die Villa des gerade oskarprämierten Filmregisseurs Bruce Delamitri (Till Claro) eindringt. Trotzdem wollen sie ihn vor laufender Fernsehkamera dazu zwingen, Verantwortung für ihre Gewalttaten zu übernehmen – weil in seinen Filmen so brutal gemordet wird wie bei ihnen real.

Popcorn hat der britische Autor Ben Elton seinen erfolgreichen Roman über Schuld und Verantwortung im Medienzeitalter genannt. In Kai-Uwe Holstens Inszenierung im Theater in der Basilika will es aber nicht so richtig poppen. Viel heiße Luft bläht sich da in statischem Ambiente auf, ein paar Pistolenschüsse knallen, doch das Ganze bleibt blutleer. Den Machtkampf zwischen den Killern und dem Killer im Kopf läßt Holsten vorwiegend auf verbaler Ebene abspielen – was auf Dauer ermüdet. Josef Heynert überzeugt zwar durch seine Mischung aus prolliger Härte und intelligenter Unberechenbarkeit, doch Till Claro gibt den eitlen Filmemacher gar zu geckenhaft und glatt. Seine Angst ist genausowenig spürbar wie die der anderen Geiseln.

Holsten verläßt sich zu stark auf die Spielkunst seiner Darsteller. Das klappt manchmal – etwa wenn die herrlich versoffene Ehefrau (Anja Topf) über ihre suchtgefährdete Psychostruktur und seelische Mißhandlungen in der Kindheit schwafelt. Doch als Gesamtkonzept ist das zu dünn. Die Chance, mit genau den Medien zu spielen, um die es geht, ergreift Holsten nicht. Im Gegenteil. Sie existieren nur in Form eines winzigen Fernsehers, dessen Bildschirm schwarz bleibt, selbst wenn der Ton läuft. Statisch auch die Bühne, die mit Ledergarnitur, Glastisch und Bar an den Ausverkauf eines x-beliebigen Möbelhauses erinnert und so gar nicht den Glanz einer Millionärswohnung versprühen will.

Mehr wäre mehr gewesen. Mehr Inspiration, mehr Provokation. Und das will das Theater in der Basilika ja mit der neuen Programmschiene erreichen: mit zeitgenössischen Stücken seinen etwas behäbigen Boulevard-Stil aufpeppen. Vielleicht beim nächsten Mal.

Karin Liebe

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