: Blickpunkt Orient
Der Orient liegt für uns Mitteleuropäer mindestens ebenso im Süden wie im Osten. Das „Morgenland“ reichte von Aleppo bis zur Alhambra und umschließt heute einen Kulturkreis von Teheran bis Marrakesch. Berberfrauen gehören ebenso dazu wie persischer Bauchtanz, die zwölfsaitige Oud ebenso wie Couscous, die syrische Kalligraphie ebenso wie die Poesie des Sufismus. Wer sich heute mit dem Orient beschäftigt, muß sich freilich auch mit Konfliktgebieten und krisenhaften Entwicklungen auseinandersetzen: mit den Schwierigkeiten im israelisch-palästinensischen Friedensprozeß, dem Chaos in Algerien, den Problemen des Fundamentalismus. Dabei wird erkennbar, daß die Probleme des „Orients“ zu einem nicht geringen Teil eben auch Probleme des „Südens“ sind. Und ob nun Osten oder Süden, eine (selbst)kritische Auseinandersetzung mit diesem Orient wird um das Faktum nicht herumkommen, daß das Verständnis des Westens für die islamische Welt immer noch sehr gering ist. Genau um dieses Verständnis geht es dem Mammut-Kulturprogramm „Blickpunkt Orient“, das vom Münchner Kulturreferat in Zusammenarbeit mit einer Reihe von anderen Institutionen und Initiativen von Oktober 98 bis März 99 in München veranstaltet wird. In nicht weniger als 80 Vorführungen, Vorträgen und Diskussionen will man im Rahmen der „,Eine-Welt‘-Friedenskulturarbeit diese geschichts- und konfliktträchtige Region in den Blickpunkt rücken.“
Die schiere Fülle des Angebots klingt nach Basar, doch das muß gerade bei diesem Thema kein Nachteil sein. Wie anders ist der Vielfältigkeit der orientalischen Kulturen, Religionen und Politik beizukommen als mit Angebotsfülle? Gerade die Reduzierung auf ein paar – zumeist falsche – Klischees ist es ja, die das Verhältnis zwischen Okzident und Orient immer wieder belastet hat.
Nachdem in den letzten Wochen bereits Persönlichkeiten wie der wegen seiner „Kritik des religiösen Diskurses“ in die Emigration getriebene ägyptische Islamwissenschaftler Nasr Abu Said und die feministische Soziologin Fatima Mernissi aufgetreten sind, stehen in den nächsten Wochen Algerien und Palästina im Mittelpunkt. Ende November wird im Gasteig die Fotoausstellung „Madonna in der Hölle“ eröffnet. Sie präsentiert die wichtigsten Fotos des algerischen Pressefotografen Hocine, der 1997 den World-Press-Photo- Preis gewann. Eine Veranstaltung am 4. Dezember wird sich mit der Frage nach der „Festung Europa“ beschäftigen. Im neuen Jahr geht es dann auch um das „Islambild in Deutschland“ und um den Friedensprozeß im Nahen Osten. Im Februar und März stehen Ägypten und Syrien im Mittelpunkt des Orient-Programms. Kulturhistorische Vorträge, politische Podien und Workshops, Ausstellungen, Lesungen, Filme, Theater, Musik, Tanz und Feste werden München bis in den März zu einem interkulturellen Mekka machen. Wer es in dieser Zeit nicht bis Aleppo schafft, mag an der Isar verweilen. Mehr Orient wird in den nächsten Monaten in keiner deutschen Stadt geboten. Thomas Pampuch
Kulturreferat, Fachbereich 5
Rindermarkt 3-4,
80331 München
Tel.: 089/23327715
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