: Die Basis wartet auf ein Zeichen
■ Langsam kommt das Thema der Gewerkschaftsverschmelzung in Bremen an / Erste Kontakte geknüpft / GEW bleibt autonom bleiben
„Wir hoffen, daß es so bleibt, wie es ist“, sagt die Verwaltungskraft der IG Medien. Große Dienstleistungs-Gewerkschaft in Bremen? Was das konkret bedeuten könnte, wissen diejenigen, die die gewerkschaftliche Arbeit an der Basis tun, noch nicht. „Wir hoffen, daß wir von unserem Gewerkschaftsrat in Würzburg erfahren, wo es lang- geht“, heißt es im IG Medien-Gewerkschaftsbüro am Bahnhof.
Was wird, wenn sich die vier DGB-Gewerkschaften ÖTV, HBV, IG Medien und Postgewerkschaft tatsächlich mit der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) zur größten Einzelgewerkschaft der Welt vereinigen? „Das warten wir mal ab“, sagt auch die Mitarbeiterin der DAG. Nur eines ist klar: „Die DAG hat uns eine Beschäftigungsgarantie gegeben.“ Werner Klimm, Bezirksleiter bei der Angestelltengewerkschaft, die seit Jahrzehnten mit den DGB-Gewerkschaften konkurriert, steht „voll hinter der Dienstleistungsgewerkschaft“. Es gab schon einige Gesprächsrunden auf Spitzenebene in Bremen, aber auch in der betrieblichen Arbeit kündigt sich das Zusammenwachsen schon an. Bei der Postbank, zum Beispiel sind drei Gewerkschaften vertreten: die Postgewerkschaft, die HBV und die DAG. „Da müssen doch auf Betriebsversammlungen nicht drei Gewerkschaftssekretäre dabei sein“, findet Klimm. Seit 25 Jahren ist Klimm in der DAG, „dauernd geprügelt“ habe man sich mit den Kollegen, seit kaum einem Jahr ist Schluß damit und jetzt ist er „überrascht, wie schnell das geht“. Bei den Stadtwerken werde Betriebsarbeit jetzt schon „nur noch gemeinsam“ gemacht.
Was aber bei dem Zusammenschluß aus dem hauptamtlichen Personal wird, das weiß derzeit noch niemand. „Mich kriegt man nicht los“, sagt Klimm. Vielleicht könnte man neue Gewerkschaftsbüros in Orten wie Osterholz und Syke aufmachen, um die Hauptamtlichen effektiv einzusetzen.
Das Sagen wird in der neuen Gewerkschaft aber die alte ÖTV haben, die zehnmal so viele Mitglieder auf die Waage bringt wie die „Kleinen“ vom Schlage der HBV oder der DAG oder gar der IG Medien. Wird die ÖTV den neuen Verbund dominieren? „Die Befürchtung wird oft ausgesprochen“, weiß Klimm. Dagegen soll aber helfen, daß die einzelnen Fachbereiche der neuen Dachstruktur mehr Autonomie haben als es derzeit in dem wenig demokratisch aufgebauten Gewerkschaftsapparat üblich ist. „Tarifpolitische und finanzielle Autonomie der Fachbereiche“ ist die klare Bedingung der IG Medien.
Ohne daß die Einzelgewerkschaften ein wesentliches Stück ihrer tarifpolitischen und finanziellen Selbständigkeit aufgeben, würde die Verschmelzung keinen Sinn machen. Die GEW lehnt aus diesem Grund ihre Auflösung in die neue „Mega-Dienstleistungsgewerkschaft“ ab. „Soll die neue Gewerkschaft Ordnungsfaktor oder Gegenmacht sein?“ fragt Bremens GEW-Geschäftsführerin Ulrike Kröger und mahnt gewerkschaftspolitische Grundsatzdebatten in dem organisatorischen Prozeß an.
Völlig unklar ist derzeit auch noch, welche Rolle für den Dachverband DGB bleibt. Insider denken: Da bleibt nicht mehr viel. Als „Dach“ über den Großgewerkschaften Chemie, Metall und Dienstleistung macht nur ein europäischer Gewerkschafts-Dachverband noch Sinn. K.W.
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