: Frauen sind erfolgreicher
■ Professor Ulrich Blum sagt, warum Frauen bessere Unternehmerinnen sind: Sie haben höhere Sozialkompetenz und wirtschaften vorsichtiger
Nie waren die Chancen, sich selbständig zu machen, so günstig wie heute – vor allem für Frauen. Das sagt jedenfalls Prof. Dr. Ulrich Blum, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Dresden. Anläßlich einer Veranstaltung der AfB zur Existenzgründung von Frauen war er gestern in Bremen. Die taz wollte von ihm wissen, was den Schritt in die Selbständigkeit so erstrebenswert macht.
Herr Blum, Sie sagen, die Zeiten für Existenzgründungen sind günstig. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben sich von 1990 bis 1995 1,9 Millionen Menschen selbständig gemacht. 65 von 100 überstehen die ersten drei Jahre nicht. Die Hälfte aller neuen Unternehmen scheitert in den ersten fünf Jahren. Widerspricht das nicht Ihrer These?
Nein. Das ist ein normaler Ausdünnungsprozeß. Ein Großteil der Unternehmer stammt aus dem Bestand vor 1990. Das belastet die Statistik.
Was macht es denn im Moment so günstig, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen?
Es ist leichter, an Eigenkapital zu kommen. Trotzdem kann man nicht sagen, daß sich die öffentlichen Rahmenbedingungen für Neugründer wirklich dramatisch verbessert hätten. Der Vielzahl von Förderprogrammen – hinzugekommen ist vor allem die Förderung aus der Arbeitslosigkeit heraus – steht eine gesteigerte Bürokratie gegenüber. Viel wichtiger sind drei Faktoren, die den Trend in die Selbständigkeit erhöhen: Die Aufstiegschancen in der klassischen Hierarchie haben sich dramatisch verschlechtert. Das mittlere Management wird ausgedünnt. Außerdem hat die Dezentralisierung der Unternehmen und die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen neue Märkte für Gründer geschaffen. Und der Zugriff des Staats auf Steuern und Sozialabgaben machen die Selbständigkeit attraktiv, weil Sozialabgaben nicht anfallen und die Steuergestaltung einen gewissen Freiraum bietet.
Der typische Unternehmensgründer ist ein Mann, 36 Jahre alt. Nur ein Drittel aller neuen Unternehmen werden von Frauen gegründet. Woran liegt das?
Ich will an dieser Stelle die Abteilungsleiterin einer größeren Bank zitieren. Sie sagt: Männer sind aggressiver und entscheiden sich schneller mit höherem Risiko. In Ostdeutschland sind beispielsweise 60 Prozent der Neugründer Männer. Aber auch 80 Prozent der Konkurse werden von Männern angemeldet.
In Westdeutschland sind nur ein Viertel aller Pleitegeier Frauen. Sind Frauen bessere Unternehmer?
Frauen gründen in der Regel kleinere Betriebe, ihre Konzepte sind besser durchdacht. Außerdem ist der Kapitalbedarf bei den Frauen sehr viel geringer. Frauen leisten sich viel weniger Privatentnahmen und sie gehen sehr viel früher zu den Banken, wenn es Schwierigkeiten gibt. Frauen sind vorsichtiger, und diese Vorsicht zahlt sich aus.
Frauen gründen besonders häufig Reisebüros oder Pflegedienste. Was sind Ihrer Meinung nach die Branchen der Zukunft?
Informationsagenturen aller Art sind im Kommen. Preisfindungsagenturen, die beispielsweise den billigsten Preis einer Waschmaschine in einem Umkreis von 50 Kilometern ermitteln. Softwarebroker, die Datenverarbeitungsprobleme lösen. Agenturen, die Suchaufträge aller Art erledigen. Es gibt eine Unzahl von Dienstleistungen, die ähnlich gelagert sind.Zwei Dinge für die Unternehmer und Unternehmerinnen der Zukunft wichtig: Schnelle Informationsverarbeitung und Kundenorientierung. Bei der Kundenorientierung haben die Frauen gegenüber den Männern einen klaren Vorteil. Sie haben eine höhere soziale Kompetenz.
Fragen: Kerstin Schneider
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