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Einverstanden, sagt Tony Blair und nickt

In Großbritannien zelebriert Gerhard Schröder mit dem britischen Premier seine ganz persönlichen deutsch-britischen Gemeinsamkeiten. Aber nicht immer traut sich der Bundeskanzler, alles zu sagen  ■ Aus London Markus Franz

Es gibt Fragen, auf die selbst ein wahlkampfgestählter Bundeskanzler nicht vorbereitet ist. Da steht also Gerhard Schröder bei seinem Antrittsbesuch in Großbritannien neben dem britischen Premierminister Tony Blair, hat das deutsch-englische Verhältnis über den grünen Klee gelobt, nicht ohne die besondere Freundschaft zu den Franzosen hervorgehoben zu haben – und dann fragt ihn ein italienischer Journalist, welche Rolle Italien in diesem Verhältnis spiele.

Schröder stutzt und beginnt seine Ausführungen mit den Worten: „Übrigens, Rom ist toll.“ Weil das als Antwort wohl doch etwas zu kurz wäre, fügt er an: „Ich habe gelesen, ich wäre ein Toskanier. Dabei war ich noch nie da.“ Das ist der Moment, wo sich wahre Freundschaft erweisen kann. Tony Blair nutzt sie. Er lächelt charmant und sagt: „Das ist eine weitere Sache, die wir gemeinsam haben.“

Wie sie sich zunicken, wie sie sich Beifall zollen

Tony Blair und Gerhard Schröder sind auf dem besten Wege, die besten Freunde der Welt zu werden. Wie sie sich zunicken, ihren Worten Beifall zollen, wie einer für den anderen spricht, läßt an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig, daß eine neue Ära deutsch-britischer Freundschaft anbrechen soll. Schröder sagt, es sei kein Zufall, daß er als Bundeskanzler zuerst nach London gekommen ist. Tony Blair spricht von einem „historischen Tag“. Wenn das die Franzosen hören...

Aber auf die Empfindlichkeiten Frankreichs ist Schröder inzwischen gut vorbereitet. Vor einigen Monaten, kurz nach seiner Nominierung als Kanzlerkandidat, hatte er noch für Unruhe in Frankreich gesorgt, als er erklärte, die Achse Bonn-Paris solle zu einem Dreieck Bonn-Paris-London ausgebaut werden. Nun antwortet er auf die Frage nach dem magischen Dreieck: „Wir beide denken nicht in geometrischen Figuren, sondern in Inhalten. Das ist richtig erfreulich.“ Zudem sei die „sehr enge Zusammenarbeit“ mit England gegen niemanden gerichtet. Da nickt Tony Blair wieder einmal und sagt: „Ich bin voll einverstanden.“

Aller Anfang ist eben schwer, wie schon Außenminister Joschka Fischer wenige Tage zuvor bei seiner Reise nach Paris und London erfahren mußte. Auf die Frage eines englischen Journalisten, ob sich der Schwerpunkt deutscher Außenpolitik von Paris nach London verschiebe, überzog Fischer in der Beteuerung des Gegenteils. Die Journalisten raunten. Später erklärte Fischer seine Reaktion damit, daß ihn der englische Außenminister Robin Cook ein wenig über den Tisch gezogen habe. So groß, wie Cook es immer dargestellt habe, sei das Einverständnis zwischen ihnen nun auch wieder nicht gewesen. Der Freund, Frankreich, hört schließlich mit.

Schröder geht dagegen unbefangen mit seiner Hinwendung zu Großbritannien und Tony Blair um. Nicht nur, daß er in England „besonders viel und besonders gerne“ gewesen ist – die Politik Blairs liegt ihm offenbar näher als die Frankreichs. Bei dem Wettkampf, wer mit wem am besten befreundet ist, geht es schließlich nicht nur um Eitelkeiten, sondern um die Ausrichtung der europäischen Politik.

Vor allem in der Außenpolitik paßt kein Blatt zwischen den deutschen und den britischen Regierungschef. Blair hatte beim EU-Gipfeltreffen in Pörtschach am vorletzten Wochenende Überlegungen angestellt, wie Europa geschlossener und mit mehr Autorität in internationalen Angelegenheiten auftreten könne: „Europa muß in der Lage sein, seinen Positionen, wenn nötig, auch militärisch Nachdruck zu verleihen.“ Er ließ keinen Zweifel daran, daß er auch einen Militärschlag gegen den Irak unterstützt, wenn dieser gegen die Auflagen des UN-Sicherheitsrates verstößt. Schröder lobt nun Blairs Pörtschacher Rede als „bemerkenswert“ und stellte sich hinter dessen Position im Irak-Konflikt. „Ich unterstreiche ausdrücklich, was Blair gesagt hat.“ Frankreich steht dagegen militärischen Auseinandersetzungen kritischer gegenüber.

Auch innenpolitisch liegen Schröder und Blair auf einer Linie. Was Blair als den „dritten Weg“ bezeichnet, nennt Schröder die „neue Mitte“. Gemeint ist, wie es Schröder ausdrückt, die Verbindung von „Modernität und sozialem Ausgleich“. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe auf Ministerebene sollen nun gemeinsame Standpunkte für eine Politik der Mitte erarbeitet werden. Beide Regierungschefs wollen dabei auch die sozialen Leistungen zur Disposition stellen. „Es gibt nicht nur ein Recht auf Ausbildung und Arbeit“, sagt Schröder, „sondern auch die Pflicht, sich ausbilden zu lassen und zu arbeiten.“ Da nickt Blair heftig mit dem Kopf.

Keine Hand rührt sich für Schröder zum Beifall

Noch mehr hätte er wohl genickt, wenn Schröder in seiner Rede vor dem britischen Unternehmerverband in Birmingham gesagt hätte, was nur in seinem Manuskript steht: „Wir brauchen eine genaue, harte und faire Bestandsaufnahme aller Systeme und Instititionen.“ Dann seien die Menschen auch bereit, eigene Ansprüche zurückzustecken und Risiken zu übernehmen. Keine Hand rührt sich während Schröders halbstündiger Rede zum Beifall. Hat Schröder etwa nicht die Bedenken ausräumen können, die ein Teil der britischen Medien umtreibt? So rät etwa die konservative Times, daß Blair seine Augen nicht vor dem „Desaster“ verschließen sollte, das „neues französisch-deutsches Denken für den Wohlstand und die Stabilität von Euroland bedeuten könnte“.

Blair und Schröder geben jedenfalls ihr Bestes, um Einigkeit zu demonstrieren. Blair bezeichnet Schröders Besuch als Signal für eine Zusammenarbeit, die wichtig für das Europa der Zukunft werde. „Wir sind bereit“, ruft er aus. Und Schröder fügt hinzu: „Und wir erst.“

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