Ein Paar auf australischen Traumpfaden

■ Nach langer Zeit wieder im Kino: „Walkabout“, der Debütfilm von Nicolas Roeg

Es werden kaum noch alte Filme für das Kino wiederentdeckt. Alle Klassiker Hollywoods sind inzwischen im Fernsehen gelandet oder wurden längst auf den Leinwänden abgefeiert. Deshalb ist die Wiederaufführung von „Walkabout“ solch eine willkommene Überraschung. Die erste Regiearbeit von Nicolas Roeg („Performance“ drehte er mit einem Co-Regisseur) wurde zuletzt in den 70er Jahren in deutschen Kinos gezeigt – und zwar um etwa fünf Minuten gekürzt. Dies ist also der „Director's Cut“ – die Originalfassung mit Untertiteln.

Ein 14jähriges englisches Mädchen und ihr kleiner Bruder finden sich nach einer Familientragödie alleine in der australischen Wüste wieder. Nachdem sie hilflos an einem ausgetrockneten Wasserloch gestrandet sind, treffen sie dort einen jungen Aboriginee auf seinem „Walkabout“ – seiner Initiationsreise auf den Traumpfaden der Wildnis. Der britische Teenager und der australische Ureinwohner entdecken hier jeweils eine ganz andere Kultur und ihre Sexualität. Und der Weg führt dabei von einer paradiesischen Idylle zu tragischen Mißverständnissen, denn bis zuletzt finden die beiden keine gemeinsame Sprache.

Roeg zeigt dieses Zusammentreffen in manchmal irritierenden, manchmal surreal-schönen Bildsequenzen. Er ist wohl der einzige Filmemacher, der den Wechsel vom Kameramann zum Regisseur wirklich erfolgreich schaffte. Aber man merkt seinen Filmen bis heute an, daß er eher auf das einzelne Bild als auf die Geschichte fixiert ist: Für eine außergewöhnliche Einstellung pfeift er auf alle Konventionen, Kontinuitäten und Grundregeln der Narration. In späteren Filme wie „Der Mann, der auf die Erde fiel“, „Eureka“ oder „Track 29“ entwickelten sich diese Kameratricks zu einer manierierten Marotte. So organisch und unangestrengt wie hier wirkte sein Stil nie wieder.

Roeg gelingt es, die australische Wildnis mit ihrer rauhen Schönheit in eine Seelenlandschaft zu verwandeln, die psychische Zustände widerspiegelt. Die Realität ist nur eine Schimäre, Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen: Der kleine Junge sieht eine Kamelkarawane aus einer vergangenen Ära durch die Wüste ziehen; der Aboriginee durchlebt wie in einem Flashback das Trauma, wie weiße Jäger die Tiere der Wildnis grausam abschlachten.

Wohl die berühmteste Filmsequenz von Roeg ist der sinnliche Pas de deux im Hotelzimmer von Donald Sutherland und Julie Christie in „Wenn die Gondeln Trauer tragen“, dem zweiten ganz und gar gelungenen Film des Regisseurs. In den fünf neu zum „Walkabout“ dazugekommen Filmminuten kann man nun sehen, daß Roeg schon immer einer der wenigen Filmemacher war, die erotische Szenen wirklich meistern. W. Hippen

Cinama, tägl. 19 Uhr / Originalfassung mit Untertiteln