Kommentar: Löchriges Konzept
■ Zu viele Ausnahmeregelungen zerstören die Idee einer Ökosteuer
Was ist eine Ökosteuer? Zur Zeit offenbar ein Anlaß, um erst mal eine Ausnahmeregelung zu fordern. Für den Mittelstand, für die Chemie, für den Osten, für Nachtspeicherheizungen. Die lustigste Ausnahme ist die für die Industrie, die besonders viel Strom verbraucht, wie das eine Arbeitsgruppe im Bundesfinanzministerium vorschlug. Was also ist eine Ökosteuer? Ein Mittel, um die Lohnnebenkosten zu senken. Selbst unter grünen Politikern hört man diese Antwort am häufigsten. Einige würden gern damit alle möglichen Steuerlöcher füllen, insbesondere die SPD-Sozialpolitiker.
Wofür aber steht dann das „Öko“ in Ökosteuer? Richtig, da war doch was. Eine Idee nämlich: Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen. Die jährlichen Umweltschäden in Deutschland belaufen sich grob geschätzt auf über 200 Milliarden Mark – Kosten durch Krankheit, durch Abgase und Lärm, durch Naturzerstörung oder Gebäudeschäden.
Was macht man also, wenn man nicht lauter Vorschriften erlassen will? Man steuert sachte den Markt – durch eine Ökosteuer. Sie macht sich natürlich dort am meisten bemerkbar, wo die Umwelt am stärksten zerstört wird. Doch die Debatte ist momentan davon geprägt, bloß niemandem weh zu tun. Wenn freilich nicht die Energieverschwender die Zeche zahlen, tut es immer die Allgemeinheit.
Es macht keinen Sinn, ganze Branchen oder den gesamten Mittelstand von der Energiesteuer auszunehmen. Selbst in der Chemiebranche gibt es Firmen, die etwa Medikamente herstellen und für die Energiekosten nicht entscheidend sind. Außerdem werden sie durch weniger Arbeitskosten belohnt. So sollten die Ausnahmen äußerst eng gehalten werden. Gerade energieintensive Betriebe sollen doch sparen. Das ist der Sinn der Ökosteuer – und wer gut darin ist, zahlt am Ende nicht viel mehr für seine Energie, weil seine Prozesse effektiver geworden sind.
Sechs Pfennig mehr für den Liter Benzin, zwei mehr für die Kilowattstunde Strom – das sind ohnehin bescheidene Anreize, Energie zu sparen. Auch der gewünschte Nebeneffekt – mehr Jobs durch niedrigere Lohnnebenkosten und mehr Investitionen in neue Techniken – wird karg ausfallen. Wenn jetzt noch unzählige Ausnahmen folgen, dann wird irgendwann niemand mehr die Frage beantworten können: Was war eigentlich die Ökosteuer? Matthias Urbach Bericht Seite 2
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen