: Affenversuche „ohne Alternative“
■ SPD hat Kritiker und Befürworter zu einem Expertengespräch geladen
„Alternativen zu Tierversuchen“ war die Überschrift, unter der sich Wissenschaftler und Tierschützer gestern auf Einladung der SPD zu einem „Expertengespräch“ im Haus der Bürgerschaft versammelten. Mit dabei war der Berliner Mediziner Dr. Horst Spielmann, der das streng vertrauliche Gutachten zu den Bremer Primatenversuchen erstellt hat. Wer erwartet hatte, Spielmann würde seine Argumente gegen die Bremer Versuche hier erstmals öffentlich vortragen, wurde enttäuscht: Er wollte zu dem brisanten Gutachten nichts sagen.
In dem vertraulichen Gutachten für die Gesundheitsbehörde war Spielmann zu dem Urteil gekommen, der Antrag des Bremer Affenforschers Dr. Andreas Kreiter würde „den Anforderungen zu Qualität und Inhalt eines Genehmigungsantrages entsprechend dem Tierschutzgesetz nicht gerecht“. Im Kontext der vorhandenen Forschungsergebnisse und der Tierversuche andernorts sei nicht begründet, warum diese Tierversuche in Bremen stattfinden müßten.
Bei dem SPD-Gespräch erklärte Spielmann, der Referatsleiter im Bundesinstitut ZEBET in Berlin ist, bei der Bewertung der ethischen Fragen des Tierversuches seien die forschenden Wissenschaftler „generell überfordert“. Begründung: „Man profiliert sich mit solchen Dingen.“ Gerade wissenschaftliche Vorhaben an der Grenze dessen, was bislang als ethisch galt, würden schnell die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „Da kommt das Fernsehen und das bedeutet auch Geld und Reputation.“ Ob wissenschaftliche Vorhaben wirklich erforderlich und ethisch vertretbar seien, könnten daher nur unabhängige Kommissionen entscheiden.
Auf der anderen Seite des Tisches saßen bei dem Expertengespräch mehrere Wissenschaftler der Bremer Universität. Etwa Professor Dieter Leibfritz, der seit Jahren im Bereich der Kernspin-Tomographie arbeitet. Dies sei keine Alternative zu Tierversuchen, erklärte Leibfritz, jede Methode habe ihre Fragestellungen, auf die sie anwendbar sei. Er zählte Beispiele auf, in denen in Tierversuchen überraschende Erkenntnisse über Stoffe gefunden worden seien, die er mit seinen Methoden vergeblich bearbeitet hatte. Leibfritz bekommt seit 1982 Geld vom Wissenschaftsministerium, mit dem alternative Methoden der Gehirnforschung gefördert werden.
Auch der Physiker Professor Helmut Schwegler aus dem Sonderforschungsbereich Neurokognition befürwortete vehement die Primaten-Experimente. Ziel sei es, Gehirnfunktionen berechnen zu können wie den Sternenlauf. Da sei insbesondere im kleinteiligen Bereich der Neuronen „noch viel zu viel unklar“. Direkte medizinische Nutzanwendung könne man aber bei dieser Grundlagenforschung realistischerweise „auf längere Sicht“ nicht versprechen, meinte Schwegler. Alternative Methoden der Gehirnforschung seien von Anfang an im Sonderforschungsbereich auch genutzt worden, das Thema also keineswegs neu.
Die Frage, ob die Bremer Affenversuche nicht anderswo so ähnlich stattfinden, wollte der Rektor der Universität, Professor Jürgen Timm, nicht einfach mit „Ja“ oder „Nein“ antworten. Es gebe keine Kriterien für eine derartige Feststellung, meinte er, und zudem müßten auch „Wiederho-lungsversuche“ zur Kontrolle möglich sein.
Der Umwelt-Beauftragte der evanglischen Kirche, Herbert Brückner, meinte, derzeit würden letztlich „Drittmittellieferanten die Entscheidung darüber treffen, was man darf und was nicht“. In dem konkreten Bremer Affen-Beispiel hatte die Deutsche Forschungs-Gesellschaft (DFG) die Geldmittel in Aussicht gestellt. Als es darum ging, die Tierexperimente trotz der Einwände des ZEBET-Gutachtens zu genehmigen, beriefen sich die Bremer Behörden wiederum auf Experten der DFG. K.W.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen