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Gläserne Trucker in rollenden Büros

Bald wissen Hamburgs Spediteure stets, wo ihre Container unterwegs sind  ■ Von Gernot Knödler

Ingo Hensels LKW ist ein rollendes Büro. Er verfügt über Computer, Drucker, Telefon, und auf dem Dach sitzt ein Empfänger für das GPS (das Global Positioning System), so daß seine Chefs zu Hause verfolgen können, wo er gerade langfährt. Neue Aufträge für Hensel rattern im Kassenzettel-Format aus einem Drucker. Sie sagen ihm, wo und wann er welchen Container aufzuladen hat, wohin die Reise gehen soll und welchen Staus er dabei ausweichen muß. Im Gegenzug meldet Hensel seiner Zentrale, ob er einen Container sicher auf seinen Laster hieven konnte oder ob der statt dessen von der Kaikante gerutscht ist. In diesem Fall wären Hensel und sein Laster nämlich frei für andere Aufgaben.

Hensels rollendes Büro ist Teil eines „telematischen“ Systems, dessen Entwicklung die Wirtschaftsbehörde mit einer Million und die EU mit einer halben Million Mark finanziert haben, um den Hamburger Hafen attraktiver zu machen. Die Kombination aus TELEfonie und InforMATIK soll den Fuhrunternehmern im Hamburger Hafen dabei helfen, Kosten zu sparen, den Streß und die Zahl ihrer Mitarbeiter zu verringern und Leerfahrten zu vermeiden. In der Speicherstadt erläuterten die beteiligten Firmen gestern, wie die Sache funktioniert.

Kern des Systems „Focus“ ist ein Server, der den Auftrag aufnimmt und weiterverfolgt. Er sagt Ingo Hensel, was er zu tun hat, und informiert dem Umschlagsbetrieb am Kai über den geplanten Transport. Sind die Papiere des Containers nicht in Ordnung oder hat der Container eine andere Größe als erwartet, kann der Laster eine andere Tour übernehmen. Bis dato merkte Ingo Hensel erst am Kai, daß der Container nicht auf seinen LKW paßte – und fuhr eine Dreiviertelstunde sinnlos durchs Hafengelände.

In der Zentrale gibt es auch einen elektronischen Atlas, auf dem zu sehen ist, wo sich die einzelnen Lastwagen gerade befinden: Derjenige, der am nächsten an einem neuen Auftrag dran ist, kann losgeschickt werden. Ganz neu und nur als Prototyp existent ist schließlich die Verknüpfung dieses Logistiksystems mit einem Verkehrsinformationssystem. Letzteres schnappt sich alle Daten über die Geschwindigkeit des Verkehrs, Staus, Schlangen vor den Zollämtern und Unfälle, deren es habhaft werden kann, und füttert damit die Tourenplanung.

Drei Fuhrunternehmen im Hafen haben Focus ohne das Verkehrsinformationssystem seit September ausprobiert. Die Erfahrungen damit seien gut. So erwartet zum Beispiel Hans Stapelfeldt, daß sein Fahrer Ingo Hensel fünf bis zehn Minuten weniger pro Auftrag braucht als bisher. In diesem Fall könnte er zwei bis drei Touren am Tag zusätzlich fahren.

Durch die Kommunikation über Computer werden die Trucker und vor allem die Disponenten in der Zentrale außerdem vom Funken entlastet. Bei 20 bis 30 Gesprächen pro LKW redete sich allein Stapelfeldts Disponent in 900 Funksprüchen heiser. Ab Januar sollen die Focus-Dienstleistungen von „Dakosy“, einer Datenkommunikationsfirma der Unternehmen rund um den Hafen, vermarktet werden.

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