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Die Stadt könnte am Fluß wachsen

■ Senat boykottierte Workshop über alte Hafenreviere / Großmarkt-Umzug – eine stadtplanerische Fehlentscheidung

„Eigentlich gehört ein Großmarkt an die Autobahn A 1“, erklärte der Ortsamtsleiter Bremen-West, Bernd Peters, am Freitag abend auf dem Workshop der Bremer Architektenkammer zum Thema „Die Zukunft der alten Hafenreviere“. In zwei kompetent besetzten Veranstaltungen im Pier 2 hatte die Kammer das Thema öffentlich debattiert, das sich derzeit in einem vertraulichen Planungswettbewerb des Häfenressorts befindet.

Auffallend war deshalb, daß das Häfenressort nicht vertreten war bei diesen Veranstaltungen der Architektenkammer, und die Staatsrätin für das Bauwesen, Ulla Luther, die bei Diskussionen über stadtplanerische Themen immer einen vorzeigbar guten Eindruck hinterläßt, hatte kurzfristig absagen müssen. Termingründe, heißt es offiziell. Die Staatsrätin ist schwer unter Druck geraten, heißt es intern. Denn nachdem bei einer Anhörung der SPD-Fraktion der Bremer Häfensenator Uwe Beckmeyer so grausam schlecht ausgesehen hatte im Vergleich etwa mit dem früheren Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau, lautet die Strategie der Wirtschaftsverantwortlichen in Bremen derzeit offenbar: lieber nicht der öffentlichen Diskussion stellen. Und zwar aus einem nachvollziehbaren, wenn auch schlechten Grund: Bremen hat 300 Hektar alter Hafengebiete um die Becken von Europa- und Überseehafen herum im stadtplanerischen Visier.

Anstatt zu entscheiden, daß dort in den nächsten 100 Jahren Zug um Zug Bremen-Stadt sich attraktiv am Wasser weiterentwickeln soll, versucht der Häfensenator systematisch, Schlüsselgrundstücke aus der Hand zu geben. Vor einigen Jahren hat er den Zugang vom Faulenquartier her zum Europahafen-Gelände regelrecht verbarrikadiert, indem er Schlüsselflächen an die dort traditionell ansässigen Firmen Eduscho und Kelloggs verkaufte. Zwischenzeitlich, daran erinnerte der Ortsamtsleiter, wollte die kommunale Wirtschaftspolitik das kostbare waterfront-Gelände mit einem Zementwerk verschönern. Und heute wird der Großmarkt-Bau wie ein Pfropf am nördlichen Zugang zu dem Gelände ernsthaft weiter geplant. Und das, obwohl sogar der Gutachter des Senats damals die Lage in der Hemelinger Marsch als vorteilhafter beschrieben hatte und mit dem nahen Fruchtumschlag (Europahafen) das letzte Hilfs-Argument abwandert.

Nichts spricht also aus heutiger Sicht dafür, den Großmarkt, der am alten Standort am Flughafen der Autobahn A 281 weichen soll, im Bremer Westen neu zu planen – außer der Starrsinn der Planer, die für dieses unsinnige Projekt gerade ein Stück waterfront, das Überseehafen-Becken, zuschütten lassen. Detmar Leo, wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion, hatte sich zu der Diskussion der Architektenkammer getraut und versuchte dort einen allerletzten Rechtfertigungsversuch. Man könne sich den Großmarkt ja auch als „offene“ Geschichte vorstellen, als ein „Nukleus“, der die Menschen anlockt, vielleicht ein Markt dabei. „Das klingt nett, entbehrt aber jeder Grundlage“, klärte ein einfacher Anwohner aus Walle den SPD-Sprecher auf. Die Betreiber des Großmarktes würden stets von einer drei Meter hohen Mauer reden, weil die Ware geschützt werden muß. Insgesamt 1.600 Lastwagen führen da obendrein jeden Tag hinein, fügte Ortsamtsleiter Peters mit Fassung hinzu.

Die grüne Karin Krusche schwärmt von Hamburg, wo ein Drittel der Flächen für „Wohnen am Wasser“ genutzt werden, von moderner Büro-Architektur. Natürlich müssen bestehende Betriebe einen Bestandsschutz haben, aber es dürften „keine Schlüsselgrundstücke“ weiter vergeben werden, fordert auch Wilfried Turk, der Präsident der Bremer Architektenkammer, bevor nicht eine Idee der Zukunft der Hafenreviere da ist. Der Mann wird inzwischen in Bremen wie ein antiautoritärer Schreihals geschnitten – als hätte er den Rasen betreten! K.W.

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