: Der schweigende Schwan
Nach der wohlinszenierten, aber unblutigen Niederschlagung eines Basis-Aufstandes können die Herren von Hertha BSC wieder ihre Tagesgeschäfte aufnehmen ■ Aus Berlin Mathias Stuhr
Natürlich heißt der Aufsichtsratsvorsitzende von Hertha BSC weiter Robert Schwan. Gott sei dank? Bild hat jedenfalls beruhigt Entwarnung gegeben: „Putsch gescheitert“, hieß es da. Zu der mit Spannung erwarteten Mitgliederversammlung des Fußball-Bundesligisten am Montag abend hätte eine solch aggressive Vokabel auch nicht gepaßt, denn „Harmonie“ sollte zum Stichwort des Abends werden.
Die Bereitschaft zur herthaeigenen Novemberrevolution hatte bereits das Siegtor von Michael Preetz gegen die Bayern am Sonnabend erheblich sinken lassen, die fast perfekte Inszenierung der Veranstaltung tat jetzt ein übriges.
Zu Beginn waren die 450 anwesenden Hertha-Mitglieder durch zwei kleine Wohlfühl-Videos milde gestimmt worden, beim ersten durften zu dem Song „Don't stop me now“ von Queen sämtliche bisher erzielten Bundesliga- Tore der Hertha bewundert werden. Der seit 60 Tagen amtierende Präsident Walter Müller, im Hauptberuf Mercedes-Manager, hatte die Organisation übernommen und führte mit einem etwas maskenhaften Dauerlächeln durch den Abend. So glich die Versammlung eher der einer Aktiengesellschaft, die die Erfolge der neuen „Hertha 2000“ genüßlich auflistete: Sportlicher Erfolg ist da, derzeit liegt man auf Platz 7. Wirtschaftlich geht es voran, für 1998/99 erwartet man einen Rekordumsatz von 41,3 Millionen Mark. Dazu kommen ein Vier- Jahres-Vertrag mit dem Sportartikel-Giganten Nike und eine rasante Mitgliederentwicklung; seit April hat man 1.800 Neuzugänge.
Was sollten da die kleinlichen Anträge von „offenbar Fehlgeleiteten“ (Präsident Müller), die die einträchtige Atmosphäre wohl vergiften wollten? Es wurde zwar deutlich, daß vielen im Auditorium der „Partner“ ufa und sein Statthalter Schwan auch weiter nicht geheuer sind, aber die Stimmung war bei Tagesordnungspunkt 11 („Anträge“) schon lange auf „endlich nach Hause“ geschaltet.
So hatte der Antrag zur Abwahl des Aufsichtsrates samt seines Vorsitzenden Schwan durch den privaten TV-Produzenten Henry Hennig keine echte Chance. 47 stimmten dafür (226 dagegen). Hennigs Antrag, auf firmeneigenem Faxpapier gestellt, mag zwar etwas eigen dahergekommen sein, die Argumentation erschien manchem offenbar nichtsdestotrotz stichhaltig. Ein Redner merkte zu Recht an, bei einer Niederlage gegen die Bayern hätte es schon ganz anders für „den Herrn Schwan aus dem fernen Kitzbühel“ ausgesehen. Dem konnten diejenigen folgen, die nicht erwarten, daß sich der Beckenbauer-Manager einmal tatsächlich auf seine ureigene Funktion als Aufsichtsrat beschränken und seinen persönlichen Hertha-Presseinformationsdienst einstellen könnte.
Volle Rückendeckung erhielt Schwan durch Manager Dieter Hoeneß, der auch ein bißchen auf der Klaviatur der Massensuggestion klimperte. Beim Betrachten der Videosequenz des Tores von Preetz gegen die Bayern habe er wirklich „ein geiles Gefühl“ verspürt, sagte Hoeneß und versprach, weitere deutsche Nationalspieler nach Berlin zu holen. Schwan sagte übrigens gar nichts – er war nicht anwesend. Spätestens bei der Frage, welche Nationalspieler kommen sollen, wird er wohl sein Schweigen brechen.
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