■ Querspalte: Wortballschlachten
Komische Worte wie etwa „Personaldecke“, „Glaubwürdigkeitslücke“ oder „Work-Life-Balance“ sind irgendwie schön. Wie auch der neulich im Spiegel zitierte Satz von Wolfgang Schäuble, der gern einen „Prozeß“ vorantreiben möchte, den er etwas „emphatisch“ als „die Suche nach Antworten auf Fragen“ beschreibt, „die uns endlich wieder spannend machen“. Oder die „Ansammlung von Öffentlichkeit, wie sie im Buche steht“, die kürzlich in meiner taz stand.
Gerne laufe ich jedenfalls durch die Gegend auf der Suche nach unpräzisen Ungeschicklichkeiten und charmanten Fehlern im Text der winterlichen Stadt, die die im Leben verloren umherirrenden Gefühle auf ganz persönliche Art zu verdichten scheinen. Wobei es nicht so sehr die generell hier im Osten falsch gesetzten Apostrophe sind, über die sich Westlehrer seit Jahren lustig zu machen pflegen und die auch mich erfreuen: In meiner Markthalle steht zum Beispiel, daß das Fischfeinkostgeschäft „Montag's“ geschlossen habe. Noch gefälliger ist z.B. die empathetische Bundesligafußballwerbung von Premiere – „Nur live tut es richtig weh“ –, die sich sehr hübsch mit der Reklame des Bestattungsmultikultis „Grieneisen“ in der Yorckstraße verbindet: „Grieneisen: Die richtige Bestattung für Sie und Ihre Kultur.“ Wie wollen Sie denn Ihre Kultur bestattet wissen – Erde-, Feuer-, See- oder Sozialbestattung? Stein, Papier, Schere oder Brunnen?
Prima, dufte, schau und cool! Überhaupt ist es schön im Winter! Und ich kann das Gequake über die angeblich zu kurzen, kalten Wintertage, die wegen angeblichen Lichtmangels zu angeblichen Depressionsmehrwerten führen, nicht mehr hören. Wer redet davon, wie witzig es sein kann, über gefrorene Hundehaufen zu stolpern? Am besten gefällt mir ein vermutlich von Problemjugendlichen schriftlich auf einem grünen Papierkorb am Mehringplatz geführter Dialog: „Ich bin der Boss“ – „Aber ich beherrsche die Welt“ – „Scheiße beherrschst du die Welt, das bin ich“ – „Ahmet, the champ“. Detlef Kuhlbrodt
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