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Mitschwimmen im Fluß

Weniger Lärm, geringerer Schadstoff-Ausstoß, weniger Sprit: Verkehrswacht bietet Kurse zum umweltgerechten Autofahren  ■ Von Christine Holch

Wieder mal in Eile. Nein, jetzt biegt der Vordermann auch noch ab! Vollbremsung. Und wieder anfahren. Endlich geht's voran, der Wagen heult im dritten Gang dahin. Mit 70 über den Ring 2. Rot. Mist. Und dann noch dieser Lahmarsch vor mir! Beschleunigen, Spur wechseln, losbrettern – und Rot. Es geht auch anders, meint der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR). Wer ein paar Tips beachte, schone seine Nerven und spare mindestens 25 Prozent Sprit.

Audienz bei Peter Bunke, Fahrlehrer bei der Bundeswehr und ehrenamtlicher Trainer für sparsames Autofahren bei der Verkehrswacht. Ein bißchen peinlich ist es schon, nach so vielen Jahren wieder neben einem Fahrlehrer zu sitzen, vielleicht greift er gleich ins Steuer. Aber nein. „Wir verstehen uns eher als Moderatoren“, sagt Bunke. Gelassen sitzt er da und gibt mit sanfter Stimme Anweisungen. Nein, eher Vorschläge: „Versuchen Sie doch mal, ohne Gas zu starten.“ Das geht sogar. „Viele Autofahrer pumpen erst dreimal – dabei regelt das der Vergaser von ganz allein.“ Selbst bei sehr alten Autos reiche einmal treten.

Die Ampel schaltet auf Grün: „Versuchen Sie mal, bis zum Ende der Kreuzung im dritten Gang zu sein.“ Also: Eine Wagenlänge im ersten Gang, dann sofort in den zweiten, Gaspedal fast ganz durchtreten, beschleunigen auf etwa 30, jetzt den dritten rein und bei knapp 40 den vierten. Der Motor grummelt tief. Aber solch untertouriges Fahren schadet doch dem Motor. Richtig, sagt Bunke, aber das hier ist niedrigtourig. Untertourig geht anders: Vierter Gang, runterbremsen auf 30 – der Wagen hoppelt. Tiefes Motorgrummeln ist okay, erklärt Bunke, Hoppeln nicht. Dann ist die „Ruckelgrenze“ erreicht.

Technisch ausgedrückt: Untertourig ist der Bereich unterhalb der Leerlaufdrehzahl – die liegt je nach Auto bei etwa 800 Umdrehungen in der Minute. Dann verbrennt der Kraftstoff nicht sauber, es kommt zu Ablagerungen, und im Motorraum treten schädliche Schwingungen auf. Niedrigtouriges Fahren liegt unterhalb von 2500 Umdrehungen. 2000 reichen im Stadtverkehr völlig aus, sagen die Experten für umweltgerechtes Fahren. Dort gilt: früh hochschalten und stets im höchstmöglichen Gang fahren.

Aber warum ist niedrigtouriges Fahren umweltgerechter? Der Zylinder wird seltener gefüllt, das Kraftstoff-Luft-Gemisch kann gründlicher verbrennen, es entstehen weniger Schadstoffe im Abgas. Wer mit einer Drehzahl von 2500 und im fünften Gang fährt, produziert 50 Prozent weniger Stickoxide als mit 3500 Umdrehungen im zweiten Gang, hat das baden-württembergische Ministerium für Umwelt und Verkehr vorgerechnet. Zudem macht niedrigtouriges Fahren auch weniger Lärm: Ein einziges Fahrzeug, das mit 4000 Umdrehungen fährt, wird als genauso laut empfunden wie 32 Fahrzeuge, die mit 2000 Umdrehungen pro Minute fahren.

Starke Beschleunigungen sind so natürlich nicht möglich, aber auch nicht nötig. Man kann mit einiger Übung im Verkehr „mitschwimmen“ – ohne viel Rumschalten, Bremsen und Beschleunigen. Wie das geht? „Nutzen Sie den Schwung aus“, sagt Bunke. „Sehen Sie die rote Ampel dahinten?“ Also: Leerlauf einlegen oder, bei neueren Autos mit Schubabschaltung, einfach den Fuß vom Gas.

Aber das Lernziel heißt: immer mit möglichst gleicher Geschwindigkeit fahren. Aber wenn der vor mir bremst, muß ich doch auch ... „Nicht, wenn Sie genügend Abstand haben, mehr als den üblichen Sicherheitsabstand“, sagt Trainer Bunke. „Dieser Pufferabstand ist Ihr Handlungsspielraum. Die Leute wollen zwar selbstbestimmt fahren, lassen sich aber vom Vordermann alles diktieren.“ Mit mehr Abstand kann man Schwankungen im Verkehrsfluß ausgleichen.

Und ist lahm wie eine Schnecke? Die Baden-Württemberger wollten es genau wissen: Zwei Fahrer quälten sich 28 Kilometer durch innerstädtischen Verkehr. Der eine fuhr eilig und kam nach 32 Minuten an, war aber erheblich gestreßt: 20mal an Ampeln gehalten, 40mal gebremst, 120mal geschaltet. Der Sparsame brauchte 39 Minuten: 7mal an Ampeln gehalten, 15mal gebremst, 55mal geschaltet. Der Eilige verbrauchte auf 100 Kilometer 10,7, der Sparsame 7,7 Liter Benzin.

Übrigens, wie stehe es eigentlich mit dem Reifendruck, fragt Bunke vorsichtig von der Seite. Keine Ahnung. Bunke lächelt. Ein höherer Reifendruck mindere den Rollwiderstand, das Auto fahre mit derselben Spritmenge viel weiter. Faustregel: Immer den in der Anleitung angegebenenen Reifendruck für Vollast nehmen. Am besten noch 0,2 bar obendrauf.

25 Prozent Spritersparnis – da müßten Kurse für umweltgerechtes Fahren doch sehr gefragt sein. „Nein“, sagt Bunke, „das kommt kaum an.“ „Deutsche Autofahrer halten sich für perfekt“, meint eine Öko-Trainerin. Mit Mitte 40 nochmal einen Kurs machen – „da vergibt man sich doch was“.

Hamburger Fahrschulen, die im Auftrag des Deutschen Verkehrssicherheitsrates eintägige Gruppenkurse (100 Mark) anbieten: Döblitz, Kieler Straße 711, Tel.: 570 75 65; Paulsen, Michaelisstraße 2, Tel.: 36 59 23; Saker, Bahrenfelder Steindamm 26, Tel.: 851 21 17; Engel, Luruper Hauptstraße 298, Tel.: 832 35 43; Zimn (Bergedorf), Alte Holstenstraße 1, Tel.: 721 19 10 sowie Peter Bunke, Verkehrswacht: Tel.: 702 15 90.

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