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■ NormalzeitDer Hartmann von Köpenick

In Oberschöneweide gibt es eines der üppigsten Hinterhof-Biotope Berlins. Noch zu DDR-Zeiten fing der unverheiratete Mieter Hartmann an, den öden, bleiverseuchten Hof der zum Batteriewerk BAE gehörenden Häuser in der Slabystraße zu bepflanzen. Vom Werk bekam er eine Aufwandsentschädigung. In der Wende spendeten einige Kumpel ihm netterweise Sträucher – aus ihren Datschen, die sie Westberlinern zurückgeben mußten. 1991 bekam er vom Land Berlin für den Hof noch 100.000 Mark „Begrünungsgeld“: Es entstand ein Fischteich.

Mit eigenen Mitteln baute er daneben einen Grill nebst Veranda und schaffte für den Teich eine Umwälzpumpe an. Diese wurde ihm jedoch schon bald geklaut. Er behalf sich mit einem ÜberflußSystem. Das Teichwasser kam direkt vom Batteriewerk, das einen Brunnen besitzt. Der Teichbesatz gedieh wirklich prächtig: Schon bald waren es – aus eigener Nachzucht – 200 Stichlinge, 60 Bitterlinge, 10 Kois (japanische Designer-Karpfen), 4 Graskarpfen, 29 Goldfische, dazu etliche Krebse und Teichmuscheln, die für die Vermehrung der Bitterlinge unabdingbar sind.

Plötzlich – Mitte November – waren alle Tiere tot. Hartmann nahm drei Wasserproben (vom Teich und vom Wasserhahn) und wandte sich dann telefonisch an den Spandauer Koizüchter Wohlfeld. Der sagte ihm: Eine Krankheit komme nicht in Betracht, die würde nicht alle Tiere auf einmal töten.

Möglich wäre jedoch ein Giftattentat, das hätte es bei ihm auch einmal gegeben. Nur leider würde die Untersuchung – an einem Institut der Universität – viel Geld kosten. Die Fische hatte Hartmann bereits entsorgt, blieb also das Wasser: Die Wasserwerke wären verpflichtet, es zu analysieren, sagte Wohlfeld.

Beim Wasserwerk Wuhlheide bedauerte man: Sie hätten kein eigenes Labor mehr. Man verwies ihn an das Wasserwerk Jungfernheide. Dort würde man jedoch die Proben nicht annehmen, sondern sich selbst welche ziehen – in sterilen Gläsern. Erst einmal ging dort niemand ans Telefon: Hartmann geriet immer nur in die Warteschleife.

Er rief daraufhin das Umweltamt Köpenick an. Die fragten zunächst nur, wer für die Analyse zahlen würde. Als Hartmann sich unwillig zeigte, verwiesen sie ihn an das Fischereiamt sowie an das Berliner Umweltamt. Letzteres genehmigte ihm einst das Begrünungsgeld, nun wollten sie ihn jedoch abwimmeln: Er müsse eine Anzeige bei der Umweltpolizei stellen, die würde dann ermitteln.

Bei der Umweltpolizei verwies man Hartmann an das für ihn zuständige Polizeirevier. Die fühlten sich dann irgendwie nicht kompetent. Als letztes rief er schließlich das Kundentelefon der Berliner Wasserbetriebe an: Die lehnten eine Zuständigkeit ab, weil das Wasser nicht aus ihrem Netz, sondern aus einem Werksbrunnen stammte. Hartmann war mit seinem Latein am Ende.

Dann ging es aber plötzlich Knall auf Fall: Der Personalchef des Batteriewerks kam mit einem Chemiker, nahm Proben und schimpfte mit seinem ehemaligen Arbeiter Hartmann, weil der ihm wieder mal Schwierigkeiten bereitete. Dann fuhr eine Expertin des Umweltamtes mit einem Meßwagen vor, nahm Proben und maß den PH-Wert, der durchaus normal war (also lag keine Einleitung von irgendwelchen Säuren oder Basen vor). Die Expertin gab jedoch zu bedenken, daß man auch mit einem Elektrokabel die Fische töten könne.

Dann kamen zwei Köpenicker Polizisten: Sie nahmen Hartmanns Personalien auf. Schließlich erschien auch noch das Landeskriminalamt, die Abteilung Umweltpolizei: zwei Damen und ein Herr in Zivil. Sie zogen ebenfalls Proben und nahmen mehrere Messungen vor – mit dem gleichen negativen Ergebnis. Hartmann, der drei Jahre für die PDS im Bundestag saß und nun wieder arbeitslos ist, d. h. kein Geld mehr hat, um seinen Teich neu zu beleben, ist sich übrigens sicher, daß die diversen Umweltbehörden erst seit dem rot- grünen Wahlsieg derart spuren. Helmut Höge

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