: Der Weg zum Umsatzmillionär
■ Bremens Existenzgründer haben es schwer / Porträt zweier Jungunternehmer, die es trotzdem geschafft haben - mit einem Callcenter
Was es heißt, Jungunternehmer zu sein, faßt Jens Hajek mit wenigen Worten zusammen. „Man braucht eine gepflegte Macke“, sagt der 27jährige. „Sonst hält man das nicht aus“, fügt sein Compagnon Marc Dörre (28) hinzu. Vor zweieinhalb Jahren eröffnete der gelernte Speditionskaufmann gemeinsam mit einem Geschäftspartner in der Neustadt das „Netcafe“. Der gelernte Industriemechaniker Hajek, der gerade seinen Job im Außendienst an den Nagel gehängt hatte, stand als Aushilfe hinterm Tresen und schenkte Kaffee aus.
Mittlerweile haben sich die beiden Jungunternehmer mit dem Call-Center „Netcenter“ ein zweites Standbein geschaffen. Zu ihren Kunden zählen der Kosmetik-Riese Loreal, die Brauereien Beck und Haacke Beck, Kraft-Jacobs-Suchard, Kellogg's sowie das Bremer Gebäudemanagement. 13 Angestellte sind bei Netcenter beschäftigt. Über die genaue Höhe des Umsatzes schweigen sich die Jungunternehmer aus. „Siebenstellig“ sei er, verraten sie.
Rund 800 Existenzgründungen registriert das Wirtschaftsressort jährlich in Bremen. Die Zahl der Gewerbeanmeldungen, dazu zählt jedes kleines Schreibbüro, aber auch die Filiale eines Unternehmens, liegt im Land Bremen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 820 pro 100.000 Einwohner. Damit bildet Bremen im bundesweiten Vergleich gemeinsam mit Niedersachsen das Schlußlicht.
„Als Existenzgründer wird einem nichts geschenkt“, kommentiert Hajek die Zahlen. Mit ihren Konzepten seien sie sowohl beim Arbeitssenator als auch bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) abgeblitzt.
Um im Mai 1996 das Internet-Cafe zu eröffenen, pumpte sich Dörre das Startkapital von 120.000 Mark. Nach seiner Ausbildung zum Speditionskaufmann und dem Studium „Außenhandel und Marketing“ an der Deutschen Außenhandels- und Verkehrsakademie verkaufte er Uhren für Citizen. „Irgendwann hatte ich keine Lust mehr, die Koffer durch die Fußgängerzone zu schleppen“, erinnert sich Dörre. Erst wollte er ein Bistro eröffnen. Doch auch die Computerbranche interessierte ihn, seitdem er mit elf Jahren einen „C 64“ geschenkt bekommen hatte. Im „Netcafe“ wollte der Computerfreak beide Ideen miteinander verbinden. Doch die Banken, die WfG und der Arbeitssenator hätten abgewunken. Nur die Bremer Sparkasse gab dem Jungunternehmer Kredit.
Die erste Stunde durften die Gäste im neueröffneten Netcafe umsonst surfen. Das Internet-Cafe boomte. „Irgendwann wurden wir von Firmen angesprochen, ob wir uns nicht auch als Internet-Provider versuchen wollten“, erzählt Dörre. Über dem Cafe wurde ein Büro eingerichtet. Bald stand das Telefon nicht mehr still. Dörre erinnert sich: „Die Kunden haben sich beschwert, daß unser Telefon ständig besetzt sei. Da haben wir uns überlegt, ein Call-Center aufzumachen. Die Kunden waren begeistert. Prima, haben die gesagt. Dann könnt ihr das gleich für uns mitmachen.“ Hajek und Dörre gründeten das Callcenter „Netcenter“.
Auch für die zweite Firmengründung hätten sie keinen Pfenning Fördermittel bekommen, betonen die Jungunternehmer. „Manchmal glaube ich, in Bremen braucht man connections“, sinniert Hajek. In der ersten Zeit hätten sie sogar selbst im Büro übernachtet, um das Telefon rund um die Uhr bedienen zu können. „Mittlerweile haben wir ein sehr gutes Team, das den Laden mit aufgebaut hat“, lobt Hajek die Belegschaft. „Wenn wir nicht so schnell so große Kunden gehabt hätten, hätten wir es nicht geschafft“, fügt Dörre hinzu. Für
Jungunternehmer haben sie eine Reihe unkonventioneller Tips parat. Hajek: „Zur gepflegten Macke gehört ein gesundes, dickes Fell.“ Dörre: „Das Privatleben muß man in der ersten Zeit abhaken.“ Hajek nickt: „Man muß selbst und ständig arbeiten.“ Für die Zukunft haben die beiden Jungunternehmer nur einen bescheidenen Wunsch. Hajek: „Das es weiter so viel Spaß macht wie bisher.“ kes
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