: Runter vom hohen Roß!
■ Tischlergesellen demonstrierten gegen mauernde Chefs
Hätte Wind geweht, hätte man sagen können: acht rote Fahnen knatterten im Wind, um die Kampfeslust der aufmarschierten Scharen der streikenden Bremer Tischlergesellen zu unterstreichen. So aber labberten gestern um 14 Uhr die Lappen der IG Metall und der GHK (Gewerkschaft Holz Kunststoff) sowie zwei Läppchen der IG Bau und rotes Tuch der ÖTV eher schlapp im Schneetreiben. 32 rote Mützen aber wogten auf und ab, die gehörten streikenden Bremer Tischlergesellen, welche einerseits gegen die kalten Füße kämpften, andererseits gegen die „Tarifflucht“ ihrer Arbeitgeber. Die Arbeitgeber sah man nicht, denn sie kamen aus der Handwerkskammer (Ansgaristraße) gar nicht erst heraus und waren wahrscheinlich noch nicht mal drin.
Trotzdem schleuderte die rasch auf 100 Mann anwachsende Menge dem Innungsgesocks entgegen: „Her mit dem Flächentarifvertrag!“ Nun können sich Normalsterbliche kaum vorstellen, wie jemand wild sein kann auf etwas so unsinnliches wie einen Flächentarifvertrag. Doch die Tischlergesellenchefs wollen nicht, daß die Tischlergesellen ihre Winz-Gewerkschaft GHK nächstes Jahr mit der Riesengewerkschaft IG Metall vereinigen, die dann am Ende mit der 35-Stundenwochen daherkäme. Also schließen sie lieber überall, z.B. in Niedersachsen, Haustarifverträge ab. Oder – schlimmer noch – sie verhandeln einfach mit dem Stachel im Fleische aller DGB-Gewerkschaften, nämlich den christlichen Gewerkschaften. Doch im wackeren Bremen streiken die Tischlergesellen noch für ihren Flächentarifvertrag.
Drei kollektive Streikfrühstücke à drei Stunden waren es bisher. Günther Patrick (24) von der größten Bremer Bautischlerei Backmann (45 Angestellte), hat schon eine Abmahnung, nachdem man sich heimlich vom Acker gemacht hatte und der Alte allein dasaß. Und bei der Firma Halen-Ladenbau gab es vier Kündigungen.
Horst Blidon, Chef der Bremer GHK, schimpft: „Schandtaten!“ Helga Ziegert (DGB) zupfte am roten Stirnband und fand: „Es kann nicht angehen, daß sich Arbeitgeber selbst ihre Gewerkschaften aussuchen.“ Es traten noch mehrere Mutmacher aus Bremer Betrieben auf (Osmers Sanitär, Mercedes, Airbus), um Solidaritätsadressen vorzulesen – ein schönes und tröstliches Ritual.
Nach einer halben Stunde war alles vorbei. Blidon: „Handwerker lieben es kurz und bündig.“ Und Richtung Innung: „Runter vom hohen Roß!“ BuS
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