■ Cash & Crash: Flucht aus der Provinz
Hamburg (taz) – „Eine Börse verwaist“, seufzt die resignierte Lokalpresse. Ausgelöst hat dieses Klagelied wieder einmal die Deutsche Bank. Sie schließt Ende Dezember ihre Börsenhandelsabteilung in Hamburg. Der Umsatz sei zu klein. Damit leert sich ein weiteres Büro in der 1558 gegründeten Hanseatischen Wertpapierbörse, und der maßvolle Trubel auf dem Parkett wird noch übersichtlicher. Heute sind nur noch etwa 125 Kreditinstitute und Wertpapiermakler Mitglied der dortigen Börse.
Die Hamburger Börse sieht den Abzug der Börsenhandelsabteilung der Deutschen Bank „mit Gelassenheit“, behauptet Geschäftsführer Thomas Ledermann. Die sturmerprobten Hanseaten bleiben sture Optimisten: Weiterhin werden Aufträge an die Börse telefonisch und elektronisch übermittelt – auch von der Deutschen Bank.
Als Plus seines Hauses sieht Ledermann unter anderem, daß jede Stückzahl jederzeit handelbar sei – interessant für Kleinaktionäre, die wie Große behandelt werden möchten.
Ein Imageverlust bleibt es allemal für das symbolträchtige Haus, das Rücken an Rücken mit dem Rathaus steht. Aber der Bannstrahl trifft keineswegs nur Hamburg. Schon seit längerem ziehen sich die Großbanken aus der Fläche zurück. „Immer mehr Umsatz wandert ins elektronische Handelsnetz ab“, begründet die Deutsche Bank den angeblichen Sachzwang für die Regionalflucht. Zudem seien immer mehr Kreditinstitute, auch auf dem flachen Land, direkt an das von den Großbanken gepuschte Computerhandelsnetz Xetra angeschlossen.
Die Krise grummelt seit Jahren. In Hamburg soll bereits lange vor der spektakulären Flucht, die in der Hansestadt hohe mediale Wellen schlug, kein Deutsch-Banker mehr auf dem Parkett gesichtet worden sein. Die Börsen in den bundesdeutschen Finanzprovinzen reagierten bislang engagiert, aber jeder für sich alleine: Hamburg eröffnete einen Markt für geschlossene Immobilienfonds und Schiffsbeteiligungen, die Berliner setzten auf skurrile Aktien aus Osteuropa oder Thailand, Bremen pflegt die Unternehmensberatung von Mittelständlern.
Ob die Großbanken auf ihrem Monopolykurs erfolgreich fahren werden, hängt jedoch auch von den Kleinanlegern ab. Sie können nämlich frei wählen, ob der Aktienhandel elektronisch oder auf dem Parkett, in Frankfurt oder an einer Regionalbörse abgewickelt werden soll. Hermannus Pfeiffer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen