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Henning HarnischSchütteln und Backen

■ Kommen Sie schon donnerstags, und erleben Sie einen Quadratkilometer Basketball in Berlin

Wenn Sie nicht in Berlin wohnen, aber das Bedürfnis nach einem Großstadtwochenende in Ihnen schlummert, sind Sie meine Zielgruppe. Bevor Sie nun von Freitag bis Sonntag das Übliche machen, hier ein paar Tips für den Tag davor.

Alba Berlin spielt seine Spiele in der Basketball-Europaliga normalerweise am Donnerstag abend. Ihre Freunde und Gastgeber werden positiv überrascht sein, wenn Sie nach der Ankündigung, schon Donnerstag nachmittag anreisen zu wollen, souverän erklären können, daß Sie am Abend schon etwas vorhaben, nämlich zum Alba-Spiel zu gehen. Die Gastgeber werden dann gerne einen Ort vereinbaren, wo der Zweitschlüssel, Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit, feierlich übergeben wird und die störende, symbolbehaftete Reisetasche im Tausch entgegengenommen wird. Wenn Sie dummerweise mit dem Auto angereist sind, ist spätestens hier der Zeitpunkt erreicht, das zu korrigieren. Stellen Sie die Kiste ab, die brauchen Sie erst Sonntag wieder. Sind Ihre Gastgeber vorbildlich geschult, haben sie Ihnen jetzt ein Fahrrad und einen Stadtplan in die Hand gedrückt, aber auch ohne ersteres werden Sie, je nach Standort, bequem mit der U-Bahn oder zu Fuß die Max- Schmeling-Halle im Prenzlauer Berg erreichen.

Jetzt müssen Sie sich ein bißchen beeilen, denn Ihr verständlicher Appetit vor dem Spiel kann nur bis 19 Uhr perfekt befriedigt werden. Haben Sie die Zeit im Griff, schlendern Sie, wenn Sie mit der Bahn unterwegs sind, die Treppen an der U-Bahnstation Eberswalder Straße hinab, und Sie werden Konopkes Imbiß unter der Hochbahn nicht übersehen. Reihen Sie sich in die Schlange ein, eine der wenigen, die die DDR überlebt haben, und genießen Sie eine legendäre darmlose Currywurst. Bleiben noch zwei Stunden bis zum Spiel.

Nicht nur Trainer und Spieler, auch Sie wollen sich geistig auf das bevorstehende Ereignis vorbereiten. Den obligatorischen Milchkaffee schlürfen Sie ums Eck im Café Schwarz-Sauer in der Kastanienallee. Die lokalen Zeitungen liegen aus, studieren Sie die Artikel zum Spiel, starren Sie aus der Glasfensterfront, und machen Sie sich ein bißchen locker. Aber spätestens um zwanzig nach sieben sollten Sie sich auf den Weg zur Halle machen. Zwar dauert der Fußweg nur gut eine Zigarettenlänge, aber um halb acht sollten Sie mit Ihrem Programmheft auf Ihrem Platz sitzen.

Haben Sie sich über die Höhe der Eintrittspreise geärgert, kann ich Ihnen mit der Begründung, daß die Profis Ihr Geld brauchen, wohl auch nicht weiterhelfen. Sie werden aber durch guten Sport in angenehmer Atmosphäre in einer wunderschönen Sporthalle entschädigt.

Nach der Partie schicke ich Sie in die Kastanienallee, in den Prater. Natürlich haben Sie nach den aufregenden Stunden Hunger und Durst. Bei Königsberger Klopsen läßt sich hier vorzüglich über Spiel und Kapern philosophieren. Wäre jetzt Sommer, würde ich Sie gleich im dazugehörigen Biergarten plazieren. Der ist einer der schönsten in der Stadt und sollte für den nächsten Besuch, zwecks sinnvoller Freizeitgestaltung in der basketballfreien Zeit, von Ihnen vorgemerkt werden.

Jetzt wollen Sie aber noch was erleben, die Klopse sind verdaut, ein Orts- und Szenenwechsel empfiehlt sich. Ich schlage das Entweder-Oder in der Oderberger Straße vor. Dort können Sie sich gewiß an den Stammtisch der Beastie Boys des Prenzlauer Bergs setzen. Diese netten Marburger Jungs (Webpage: www.rap.de) sind seit Jahren Alba-Fans und gerne bereit, fremde, überforderte Großstadtbesucher in ihren Kreis zu integrieren. Oder nehmen Sie Ihre Molle im Nemo schräg gegenüber. Dort treffen Sie im Hinterzimmer auch Achtziger-Jahre- Kneipensportler am Billard- und Kickertisch.

Haben Sie dann immer noch Hummeln im Arsch und wollen die Affinität von Basketball und Drum 'n' Bass überprüfen, sollten Sie ins Ikon in der Cantianstraße fallen. Jetzt ist eh alles zu spät, also harren Sie noch eine Weile aus.

Dann können Sie den Kreis Ihrer Aktivitäten vor und nach dem Spiel schließen, denn um fünf Uhr macht Konopke wieder auf. Keine Angst. Der Mann hat auch Rühreibrötchen im Sortiment. Dazu einen Kaffee, und dann ist es aber auch gut. Schnell noch die Zeitung gekauft und nicht in der U-Bahn einschlafen.

An dieser Stelle möchte ich mich verabschieden und überlasse den Potsdamer Platz, die Hackeschen Höfe usw. Ihnen und Ihren Gastgebern.

7. Januar: Zwischenrunde

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