piwik no script img

Katastrophen glotzen

■ Kabarettist Bodo Wartke träumt musikalische Marmeladenreime

Er kommt aus Bad Schwartau und hat den Marmeladenblues. Zuweilen jedoch verläßt er seine Heimatstadt, um seinem Hobby zu frönen: Gaffen. Wenn nicht genügend Katastrophen passieren, inszeniert er selbst eine. Ihm kann keiner vorwerfen, er verschließe die Augen vor dem Leid anderer – er glotzt ja.

Bodo Wartke, Berliner Jung-Kabarettist, geboren in Bad Schwartau, gehört aus Berufung auf die Bühne: Fundiertes Klavierkönnen kombiniert er überzeugend mit endlosen, aber dennoch geistreichen Chansons und Gedichten über Ödipus, blaue Polizei-Engel und die Vorherrschaft der Karten in unserer Zeit. Hausgemachtes Reimen auf der Bühne ist heikel und wird bekanntermaßen schnell peinlich. Nicht so bei Wartke: Der Mann muß schon in Reimform träumen.

Allerdings fehlt der Show noch der Schliff, wie beispielsweise die Überleitungen zwischen den Stücken, die Wartke schlicht wegläßt. Auch das Image des Gentlemans nimmt man dem 19jährigen trotz Anzug und Weste nicht ab – sie scheinen eher ein Accessoire des Künstlers Eitelkeit. Dabei ist Wartke am allerbesten, wenn er spontan ist. Es sind nur wenig Zuschauer da? Kein Problem für den Profi – dann kann er jeden mit Handschlag begrüßen und verabschieden.

Als Comedian ist Wartke ein echtes Talentbündel. Als politischer Kabarettist muß er noch an sich arbeiten, ist allzu brav und oberflächlich. Schließlich gibt es in diesem Land mehr Themen als Steuergerechtigkeit und sichere Atomkraftwerke, über die man dringend mal herzlich lachen müßte. Wenn Wartke noch ein bißchen mutiger wird, werden wir uns darauf freuen dürfen. Definitiv ein Künstler, den man in Auge und Ohr behalten sollte. Heike Dierbach

heute, 20 Uhr, Schlachthof

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen