: Beim Schörmän Teeweee mit Sissi
Radio Bremen dreht eine Comedyshow mit Sissi Perlinger. Als Statist berichtet vom Schauplatz ■ Wilfried Hippen
So kennen und so mögen wir sie: Sie wirkt sofort wie unser aller liebste Plaudertasche und plappert so schnell, daß sie ihren eigenen Sätzen kaum noch hinterher kommt. Sie lacht gern über ihre eigenen Witze und wirkt dadurch nur noch komischer. Sie gibt schamlos mit ihren Dekolletés an und erzählt im glamourösen Abendkleid von Popel und Tampons. Das ist Sissi Perlinger, und so präsentiert sie sich auch in „Sissi. Die Perlingershow“.
Das Format ist alles andere als revolutionär. Gefilmte Sketche wechseln mit Monologen, Liedern und jeweils einem Gastauftritt pro Folge. Vor einer Bühne muß es natürlich ein Publikum geben, und so werden pro Folge gut hundert Gäste in das Studio von Radio Bremen eingeladen, um passend zu lachen, zu applaudieren und für Zwischenschnitte amüsiert in die Kamera zu schauen.
Am Mittwoch abend wurde auf diese Weise die erste Folge einer neuen Perlinger-Staffel produziert (wohlgemerkt, die erste gesendete Folge; gedreht aber wurden an den vorherigen Tagen schon zwei andere). Das Publikum drängte in das erstaunlich große, aufwendig dekorierte Studio und wurde erst einmal warm-animiert. Immerhin tat dies nicht (wie bei den Allerwelts-shows der Privaten) irgendein Unterling, sondern zuerst der Produzent Holm Dressler, dann Frau Perlinger selbst (noch ohne Dekolleté) und schließlich ihr musikalischer Begleiter Herr Scheibe (Vorname: Herr). Dieser agierte hinter einem Keyboard und allerhand Klöterkram und spielte mit dem Publikum ein musikalisches Spiel, bei dem er auf Zuruf jeweils einen Song, einen Interpreten und einen landestypischen Stil kopierte. Diesmal sang er deshalb „YMCA“ als spanischer Heino. So komisch war er in der Show nicht mehr. Nebenbei wurde das Klatschen auf Befehl eingeübt. Und hochgehaltene Pappschilder befahlen mit diktatorischer Strenge „oooooh“-Machen. Seltsamerweise wirkte das Eintrainieren nie penetrant, und das Publikum war willig.
Daß man ein Publikum mit nichts anderem besser gewinnt als mit einem Patzer, weiß Frau Perlinger, und prompt verhaspelte sie sich bei der Einleitung, prompt verschwand Frau Perlinger hinter dem Vorhang, und alles wurde noch einmal wiederholt, und prompt war ihr Intro-Applaus noch enthusiastischer als beim ersten Mal. „Wir müssen der Frau helfen“ schien jetzt jeder Zuschauer-Statist zu denken und freute sich richtiggehend auf den zweiten Fehler, der – prompt – kam. Er lachte sogar über die gleichen Pointen beim zweiten Mal genauso laut. Respekt!
„Live“ konnte man Sissi Perlinger an diesem Abend als „stand-up“-Comedienne erleben, die meist brav vor der Kamera stand und ihre kleinen Geschichten und Witze erzählte. Im Vergleich zu ihren Bühnenshows wirkte dies eher statisch, aber so sind „comedy-shows“ nunmal aufgebaut. Auch der Auftritt des Stargasts Rüdiger Hoffmann wirkte sehr konventinell: Er trug eine Nummer aus seinem Repertoire vor und verschwand danach wieder von der Bühne, ohne auch nur einen Witz mit Sissi Perlinger getauscht zu haben. Insgesamt drei Sketche werden pro Folge gezeigt, diese wurden im Sommer vorproduziert: Das macht 180 Minuten in 35 Drehtagen. Hier ist Frau Perlinger jeweils mit einem Gaststar zu sehen. Dies klappte sehr gut mit Dieter Krebs und mit Esther Schweins, aber nicht gut Katja Riemann. Doch eine Trefferquote von zwei zu eins ist in der deutschen Comedy-Szene nicht schlecht.
Ob die Show, die ab 5. Januar jeweils Dienstags zwischen 22.05 und 22.30 Uhr gesendet wird, die angestrebte Quote von drei bis vier Millionen ZuschauerInnen erreicht, ist nach dieser Aufzeichnung schwer zu sagen. Komisch ist Sissi Perlinger allemal. Aber sie bringt ihr Dilemma in dieser ersten Folge selbst auf den Punkt: Für eine Komikerin ist Deutschland alles andere als vielversprechend. Der Humor war hier schon immer die Domäne der Männer. Und eine Frau, die mit Strapsen und einer langen Pappnase auf die Bühne geht, ist hier noch Avantgarde.
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