piwik no script img

Die Invasion des „Ctenocephalides felis“ oder: des Katzenflohs

■ Von einer, die auszog, um einer Flohplage Herr zu werden: Wie wäre es mit einem staatlich geprüften Kammerjäger, der mit Chemie hantiert oder reicht Saugen und das Auslegen vieler, vieler Walnußblätter ?

Die Invasion kam schleichend. Eines nachts wachte ich auf. Es zwickte am Hals. Der Schreck überwand die Müdigkeit. Ein Schlag, und der Quälgeist war gefangen. Ein Floh! Flöhe in meiner Wohnung! Iiigiiiiitttt! Der Kater ruhte unschuldig und laut schnurrend neben dem Kopfkissen. Das Flohhalsband war intakt. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Vermutlich hatten die Flöhe das ganze Bett in Beschlag genommen, saßen in den Federn, in der Matratze... Welch' eine Vorstellung. Der Teppich, das Sofa, die Vorhänge, der Sessel im Arbeitszimmer.

Apropos Arbeitszimmer. Die Bücher. Vielleicht findet sich ja was über Flöhe. „Insekten mit seitlich zusammengedrücktem Körper, von gelber rotbrauner bis schwarzer Farbe, mit einem Stechrüssel...“ Was so eine gutsortierte Hausbibliothek doch wert ist. „Leben als Blutsauger (!) auf Menschen, Vögeln und Säugetieren. Der Katzenfloh (Ctenocephalides felis) stellt höhere Ansprüche an die Temperatur als der Hundefloh. Sein Stich ist schmerzhafter als der des Menschenflohs. Hungrige Flöhe saugen gelegentlich auch an anderen Wirten (an mir zum Beispiel). Alle Flöhe legen Eier, normalerweise nicht auf ihre Wirte, sondern an die Aufenthaltsorte ihrer Wirte, an ihren Nist- und Schlafplätzen (der Kater schläft im Bett!), unter Dielen, Matten, Teppichen sowie in Betten und Polstermöbeln (es juckt plötzlich...und juckt). Flöhe sind Krankheitsüberträger (auch das noch). Tropische Rattenflöhe sind Hauptüberträger der Pestbakterien. Außerdem sind Flöhe Zwischenwirte des Bandwurms bei Hund und Katze, selten bei Menschen (Gott-sei-dank). Flöhe leben im Schnitt etwa eineinhalb Jahre. Ein Weibchen legt täglich 20 bis 25 Eier. 20 x 30 = 600 im Monat. 600 Flöhe. Wenn davon nur 300 weiblich sind, legen die wieder je 600 Eier. 300 x 600 = 180.000 Flöhe... Hilfe..., meine Wohnung ist verseucht..... Hilfe!!!!!

Der Anruf beim Gesundheitsamt am nächsten Morgen. Die Dame ist sehr freundlich. „Saugen“, rät sie. „Staubsaugen, jeden Tag fünf Wochen lang. Dann saugen sie die Viecher und ihre Brut nach und nach einfach weg. Zum Schluß der Saugaktion, von der keine noch so winzige Ecke ausgenommen bleiben darf, Speisestärke einsaugen. Staubsaugerbeutel verknoten und weg damit.“ Fünf Wochen? Das ist mir entschieden zu lange. Ich will die Flöhe loswerden und zwar sofort. Sie kommen nachts in mein Bett und beißen mich. Nicht eine Nacht länger. Ich will einen Kammerjäger. „Bitte, wenn sie unbedingt Gift in ihrer Wohnung wollen“, sagt die Dame vom Gesundheitsamt. „Achten Sie wenigstens darauf, daß es ein staatlich geprüfter Schädlingsbekämpfer ist.“

Staatlich geprüft klingt gut. Kammerjäger ist aber gar kein Ausbildungsberuf, sagt das Arbeitsamt. Im Grunde genommen kann jeder, der einen Hauptschulabschluß und eine Lehre hat, eine kleine Prüfung machen, sich einen Gewerbeschein geben lassen und Wohnungen vergiften. „Das ist ja gerade das Schlimme“, sagt die Frau vom Arbeitsamt, die nicht genannt werden will, weil sie vermutlich wütende Giftgasangriffe von Kammerjägern fürchtet. Die Prüfungen seien nicht besonders anspruchsvoll, verrät sie. „Das ist so, als wenn Sie ein bißchen über die Hackfleischordnung wissen müssen, wenn Sie einen Imbiss aufmachen.“

Beruhigend. Vielleicht sollte ich mir das doch überlegen. „Hol' Dir doch Pulver oder Spray und mach es selbst. Ist außerdem billiger rät der Kollege.“ „Walnußblätterunter die Matratze legen“ ruft eine andere Kollegin dazwischen. Gute Idee. In der Zoohandlung gibt's „Fokker“. Fokker nebelt die Wohnung ein. Die Wohnung stinkt ein bißchen, es wird gelüftet, die Luft scheint wieder rein zu sein. Drei Tage später springt morgens beim Frühstück etwas in die Teetasse. Raten Sie was? Ein...iiiiiihhhh.

„Floh-Focker“ wirkt nicht, muß doch der Kammerjägerran. Telefonbuch, gelbe Seiten. Kammerjäger Nummer 1: „Ihre Wohnung wird vernebelt, acht Stunden dürfen Sie die Räume nicht betreten. Ich muß zweimal kommen. Die Brut muß auch vernichtet werden.“ Und die Kosten für eine 60 Quadratmeter große Wohnung? „320 bis 380 Mark plus Mehrwertsteuer.“ Hmmmm. Macht 370 bzw. 440 Mark. Kammerjäger Nummer 2: „Drei Behandlungen sind fällig. Sonst werden Sie die nie los. Der Floh durchläuft vier Phasen. Außerdem machen Flöhe krank. Der stolze Preis: 568,40 Mark inklusive Mehrwertsteuer. Kammerjäger Nummer 3: „Ich komme einmal, das reicht. Ich verwende garantiert keine Giftstoffe. Die Wohnung wird ausgenebelt. Acht Stunden nicht betreten.“ Komisch, acht Stunden... und kein Gift? Der Preis für die angebliche biologische Behandlung: 336,40 Mark inklusive Mehrwertsteuer. Kammerjäger Nummer 5: „Zwei Behandlungen sind notwendig. Alles andere können Sie vergessen. Kosten: 320 Mark.“ Guter Rat ist teuer. Wem soll man glauben? Bei der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung geht niemand ans Telefon. Plötzlich eine kleine Anzeige in den gelben Seiten. „Ingo-Wolf Engel – staatlich geprüfter Schädlingsbekämpfer.“

Wie wird man eigentlich staatlich geprüfter Schädlingsbekämpfer? „Das habe ich gelernt“, versichert Engel (was für ein Name für einen Kammerjäger). „Wo haben Sie das gelernt? Das ist doch gar kein richtiger Ausbildungsberuf“ (das Verhör muß sein, hat die Dame vom Gesundheitsamt gesagt). „In der ehemaligen DDR. Da war das ein anerkannter Ausbildungsberuf. Ein Jahr dauerte die Ausbildung.“ Kosten: 150 Mark. Der Billigste, der Beste? Wenige Stunden später: Herr Engel steht vor der verflohten Wohnung. Er hat eine merkwürdige Pumpe dabei. Er zieht einen weißen Schutzanzug über, eine Gasmaske trägt er auch. Der Mann arbeitet schließlich mit hochgefährlichen Insektiziden und Nervengiften. Plötzlich fällt mir die Geschichte wieder ein. In Amerika hat eine Frau eine Universal-Allergie entwickelt, nachdem der Kammerjäger ihre Wohnung vernebelt hatte. Er hatte nicht nur die Flöhe, sondern auch die Frau vergiftet. Die Arme lebt seitdem in einem Sauerstoffzelt und ist von der Außenwelt abgeschnitten, und das stand nicht in der Bild-Zeitung. „Ohne Gift geht es nicht, aber die Dosis macht das Gift. Richtig angewendet passiert ihnen nichts“, beruhigt Engel. Er kommt nur ein Mal und nebelt. Er versprüht ein „Kontaktmittel“. Mit anderen Worten: Das Gift klebt überall, zum Beispiel an den Fasern des Teppichbodens. Wenn die Flöhe schlüpfen, springen sie sofort in den Tod.

Mittlerweile ist es sieben Wochen her, daß der Todesengel meine Wohnung ausgesprüht hat. Wir leben noch, der Kater und ich. Er hat übrigens auch eine Flohkur hinter sich. Nichts zwickt. Und ungebetene Gäste in der Teetasse gibt es auch nicht mehr. Nun ja, meine Wohnung ist verseucht. Das ist wohl so. Ich kann damit leben. Wenn Sie es nicht können, saugen Sie, pflücken Sie Walnußblätter. Ansonsten erreichen Sie Herrn Engel unter Tel.: 04704/684.

Hermione Ganswind

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen