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Berlin ist eindeutig Schokoladenstandort

■ Lukrative Subventionen lockten zu Zeiten des Kalten Krieges viele Firmen in den Westteil der Stadt. Seit der Wende sinkt die Zahl der Arbeitsplätze in der Süßwarenbranche ständig

Die Deutschen gehören im Schokoladenverzehr zur Weltspitze: Durchschnittlich ißt jeder Bundesbürger im Jahr 8,5 Kilogramm Schokolade, das sind 1,6 Tafeln pro Person und Woche. Wieviel die Berliner im Durchschnitt vertilgen, ist statistisch nicht erfaßt. Zumindest aber haben sie vor ihrer Haustür gleich mehrere schokoladenverarbeitende Firmen. Vier Fünftel der in Deutschland gewonnenen Kakaomasse und ein Fünftel der Schokolade werden in Berlin produziert. Jeder fünfte Berliner Arbeitsplatz im Ernährungsgewerbe hängt an dieser Branche.

Viele bekannte Firmen haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin niedergelassen oder aber den Betrieb ihres Berliner Werkes wiederaufgenommen. Nestlé, Storck, Stollwerck und Schwartau sind darunter die prominentesten Namen. Berlin als Standort zu wählen, war kein Zufall. In der einstigen „Frontstadt“ gab es eine lukrative Wirtschaftsförderung für das verarbeitende Gewerbe, wenn es sich hier niederließ.

Bis zu 250.000 Mark pro Arbeitsplatz und Jahr flossen teilweise in die Unternehmenskassen. Für Nestlé etwa war das auch der Grund, Betriebszweige aus dem Frankfurter Raum nach Berlin zu verlegen, wo Teile der Firma schon seit den zwanziger Jahren angesiedelt sind. Heute hat das Schokoladenwerk von Nestlé in Berlin- Tempelhof immerhin 650 Mitarbeiter und gehört damit neben Storck in Reinickendorf zu den größten Werken der Branche in der Stadt.

Mit der deutschen Einheit fielen für die Industrie auch die Subventionen weg. Daß die Branche nicht zusammenbrach, lag vor allem daran, daß die Ostdeutschen von der gewohnten Schokolade abließen und ihre Liebe zur westdeutschen entdeckten. Der neue Markt habe für eine deutliche Belebung und für Zuwächse gesorgt, berichtet Nestlé-Sprecherin Barbara Nickerson. Allerdings hätten sie dafür keine zusätzlichen Arbeitsplätze schaffen müssen. Die vorhandenen Kapazitäten reichten.

Seit der Wende ging insgesamt die Zahl der Arbeitsplätze in der schokoladenverarbeitenden Industrie durch Rationalisierungen und Werkschließungen – Van Houten und Rausch – kontinuierlich zurück. Nestlé verkaufte im vergangenen Jahr die Marke Sarotti an die Imhoff-Gruppe (Stollwerck, Sprengel, Eszet) und baute damit 170 Arbeitsplätze ab. Sarotti-Schokoladen werden jetzt von einem Bruchteil der einstigen Nestlé-Beschäftigten in der Marienfelder Stollwerck-Fabrik produziert.

Der Standort Berlin sei aber nach wie vor attraktiv und beständig, sagte Nickerson. Sie hätten gerade erst „kräftig investiert“. Und beim Senat stießen sie mit ihren Anliegen meistens auf offene Ohren. Auch für den Markt in Osteuropa ist Berlin nach Aussagen von Nickerson wichtig. Produkte, die in osteuropäischen Staaten noch nicht hergestellt werden könnten, würden in kleinem Umfang aus ihrem Berliner Werk exportiert. Zudem hätten sie regelmäßig Auszubildende aus osteuropäischen Ländern. Jutta Wagemann

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