: Argentiniens Ex-Marinechef in Haft
Neueste Festnahme wegen Kindesraubs während der Militärdiktatur. Ex-Admiral Franco war auch an der Selbstamnestierung des Militärs 1983 beteiligt ■ Aus Buenos Aires Ingo Malcher
In Argentinien ist ein weiterer Ex-Militär wegen Kindesentführung während der Militärdiktatur 1976–1983 festgenommen worden. Dem Admiral Rubén Franco, der am Montag in Haft genommen wurde, wird vorgeworfen, damals an der Entführung von Kindern von Regimegegnern beteiligt gewesen zu sein. Vor ihm hatte Ermittlungsrichter Adolfo Bagnasco bereits gegen den ehemaligen Juntachef Jorge Rafael Videla und Ex- Marinechef Emilio Eduardo Massera Haftbefehl erlassen.
Wie sie muß auch der 71jährige Franco auf Grund seines Alters nicht ins Gefängnis, sondern steht lediglich unter Hausarrest. Franco und andere Militärs sollen Gefangenen ihre Babys und Kleinkinder weggenommen und sie dann mit neuem Namen an Adoptiveltern weitergegeben haben. In einigen Fällen kamen die Kinder in Gefangenschaft zur Welt. Ihre Eltern überlebten die Haftzeit in der Regel nicht. Es konnte vorkommen, daß die neugeborenen Kinder von Oppositionellen auf diese Weise in Militärfamilien aufwuchsen, ohne zu wissen, wer ihre echten Eltern sind.
Die Menschenrechtsorganisation „Großmütter der Plaza de Mayo“ geht davon aus, daß rund 400 Kinder während der Diktatur ihren Eltern entrissen wurden und an Adoptiveltern weitergegeben oder verkauft wurden. Die Armeeführung will von 240 Fällen wissen. Aufgeklärt sind in Argentinien allerdings erst 61 Fälle.
Franco wurde im Oktober 1982 kurz nach der Niederlage Argentiniens im Falklandkrieg gegen Großbritannien zum Chef der Marine ernannt. Er ist Mitunterzeichner des „Schlußdokuments der Militärjunta über den Krieg gegen die Guerilla und die Subversion“ vom April 1983. Darin werden die Verschwundenen der Diktatur „aus juristischen und humanitären Gründen für tot erklärt“. Außerdem steht Francos Unterschrift unter einem Amnestiegesetz, das sich die Militärs in letzter Minute selbst zurechtgezimmert hatten.
Die argentinische Militärdiktatur war die blutigste auf dem Kontinent. Rund 30.000 Menschen wurden von den Machthabern entführt und ermordet. Den Militärs wurde nach der Rückkehr zur Demokratie der Prozeß gemacht, allerdings genießen sie heute dank zwei Amnestiegesetzen Straffreiheit. Das einzige Verbrechen, das nicht durch die Amnestiegesetze abgedeckt wird, ist die Entführung von Kindern von Oppositionellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen