Kommentar: Nachfolger des Generals
■ Werthebach outet sich als Hardliner
Mit Gustav Noske, dem früheren Volksbeauftragten fürs Heer, der 1919 den Aufstand Berliner Arbeiter zusammenschießen ließ, sollte man Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) nicht vergleichen. Aber auch der Senator glaubt offenbar an den starken Staat, der ab und zu seine Muskeln zeigen muß – und was das heißt, durften gestern die Demonstranten auf der Luxemburg-Demonstration erleben: Prügelnde Polizisten, unnötig und unsinnig gerade hier, beim Gedenken an zwei Politiker, die brutaler Gewalt, ausgelöst von Noske, zum Opfer fielen.
Ist diese Instinktlosigkeit das neue Markenzeichen des Innensenators? Nun ist seine 100-Tage- Schonfrist noch nicht beendet, aber traurige Anzeichen, daß es so sein könnte, gibt es schon:
So führt der Senator die Beachtung von PDS-Gruppierungen durch den Verfassungsschutz fort, obwohl die Sozialisten eine gute Autostunde nördlich von Berlin in der Regierung sitzen. Beim Thema Todesschuß durch Polizisten – euphemistisch: „finaler Rettungsschuß“ – forderte er ein Gesetz, das dieses Vorgehen legitimieren soll.
Werthebach kündigt für Bosnier Abschiebeaktionen an, die schon seinem Vorgänger, General Schönbohm, nicht gut anstanden. Und ausdrücklich lehnt er Fixerräume ab, die Heroinabhängigen helfen sollen. Schade eigentlich – man hätte anderes erhofft.
Schließlich galt der neue Mann, der zuvor als Staatssekretär im Bonner Innenministerium gearbeitet hatte, in erster Linie als Spitzenbeamter mit Managerqualitäten. Zuwenig Beachtung fand dabei, daß er stets den harten Seiten des Staates diente: als BKA-Chef etwa oder als Präsident des Verfassungsschutzes.
Und schon zu unseligen RAF- Zeiten hat er Terroristen bekämpft. So etwas bleibt wohl in den Kleidern hängen.
Und offenbar kann auch Werthebach nicht der Versuchung widerstehen, sich ein Dreivierteljahr vor der Wahl bei einem bundesweit verfolgten Ereignis schon einmal als robuster Junge zu profilieren. Eine Mahnung sei ihm jedoch angeraten: Einige seiner Vorgänger, die dies ebenso versuchten, sind gescheitert – auch wenn sie nicht Noske hießen. Philipp Gessler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen