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Verbesschlimmerte Verschlimmbesserung?

■ Auch der Designbereich der HfK denkt über den Bachelor/Master-Abschluß nach. Der AStA ließ über die Gefahren diskutieren

Trotz Rot-Grün: Die Zeichen im Bildungssektor deuten auf Verkürzung und berufstaugliche Verzweckung des Studium. Eine Reform muß her. Nun haben Reformen den Nachteil, daß irgendwer sie abgenicken muß. Also wird sie schmackhaft gemacht. Und zwar solange, bis kein normaldenkender Mensch mehr unterscheiden kann, ob es sich um eine „böse“, giftige Pille im schönfärbenden Zuckermantel handelt oder um eine „gute“, gesunde Orchidee mit einem winzigkleinen krummen Blatt, das vernachlässigbar ist. McKinsey hat dies Spiel gespielt, und zwar so stümperhaft wie Mönchengladbach Fußball. Daß die Überführung der Kulturinstitution in Eigenbetriebe mehr Freiheiten als Gefahren mit sich bringt, davon konnten sie nur begrenzt überzeugen.

Dieselbe Verwirrungsstrategie blüht im Bildungsbetrieb. Bildungsministerin Behler demonsrierte im aktuellen „Spiegel“ ihre Meisterschaft im Doppelsprech: „Es geht nicht nur ums Sparen, sondern um Reformen... fit machen für die Zukunft... Schwächen beseitigen, Stärken weiterentwickeln.“ Stark durch sparen: Bei Adorno hieß Negative Dialektik noch etwas anderes.

Bei der Hochschule für Künste bekommt das Renovieren einen eigenen Dreh. Von den drei Studiengängen Freie Kunst, Graphikdesign und Mode sollen die letzten zwei zusammengelegt werden. Gleichzeitig soll der acht Semester lange Diplomstudiengang ersetzt werden durch sechssemestrigen Bachelor und zehnsemestrigen Master. In einer Diskussion in der HfK/Am Wandrahm äußerste der AStA seine Befürchtungen: Aufgrund eines Gesetzes, das BaföG-Zahlungen nach dem „ersten berufsqualifizierenden Abschluß“ verunmöglicht, befürchten die Studenten nach sechs Semestern aufs Trockene gelegt zu werden. Fast noch mehr ängstigt man sich vor einem Filtersystem nach dem Bachelorabschluß, das nur für wenige Auserwählte den Zugang zum Master durchlässig macht. „Positionspapiere“ der Behörde untermauern den Verdacht.

Daraufhin outete sich die anwesende Professorenschaft als echte Schopenhauerianer: „Die Welt als Wille und Vorstellungskraft.“ Mit markiger Stimme und festen Blicks vergewisserte 3-D-Prof Rahe: „Wir wollen auf gar keine Fälle, daß sie die Uni nach sechs Semester verlassen.“ Im Gegenteil: Natürlich will man nur das Beste, nämlich Ausdehnung des BaföGs auf zehn Semester. „Unsere Intention ist, das Studium zu verlängern.“ Und ein allmächtiger deutscher Professor glaubt offenbar ganz voluntaristisch an die wirklichkeitsschaffende Kraft seines göttlichen Willens. Außerdem erblödet sich Rahe nicht zu betonen, daß die Reform erst die Studies der nächsten Generation, also keine Anwesenden betrifft. Ein unangenehmes Entsolidarisierungsargument.

Ein kurzer Anruf bei Hermann Kuhn, dem wissenschaftspolitischen Sprecher der Grünen hätte der Argumentation der Profs auf die Sprünge geholfen. Zwar ist es „sehr gut, wenn die Studenten im anstehenden Reformmarathon kritisch und mißtrauisch sind.“ Aber „sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene“ ist es „erklärter Wille des Gesetzgebers“, daß BaföG über den Bachelorabschluß hinausgezahlt wird. „Und zwar in solcher Vielzahl und Geschlossenheit, daß ich daran keinerlei Zweifel hege.“ Auch daran nicht, daß Bachelor und Master nun bald in Bremen kommen werden. „Da gibt es keinen Dissens zwischen den Fraktionen.“ Auch eine Quotierung des Zugangs zum Master hält Kuhn für unrealistisch. Fraglich sei lediglich, ob auch ein Wesen mit vollwertigen Diplomabschluß BaföG für ein Master-Aufbaustudium bekomme.

In impressionistischer Flüchtigkeit wurden dann noch folgende Standardthemen angesprochen: Droht mit dem Bachelor eine Verschulung des Studiums? Ist der Bachelor für Univerdrossene die bessere Alternative zum Studienabbruch? Ist ein durch die Fusion breiter gestreutes Design-Grundstudium mit Pflichtkursen in Fotografie, Mode, Typografie etc berufsfördern oder verwässernd? Sind sechs Semester dafür zu lang? Achten im Designbereich die Büro nicht viel mehr auf die Mappe als auf den Abschluß? Könnten durch ein aufgewertetes Master-Hauptstudium Studenten von außen angelockt werden? Am Anfang wurden noch die einschlägigen Formeln über die universitäre Freiheit, die ja so schwierig sei, aber doch auch so persönlichkeitsbildend und deshalb unverzichtbar, ausgetauscht. Am Ende dann doch noch ein fundierter Satz: „Neue Inhalte sind noch nicht sichtbar geworden.“

Wie die Freiheit lebbarer gemacht werden kann, wieviele Studies es sind, die eine Studienverkürzung durch Bachelor bejubeln würden, wie die neuen Pflichtgrundkurse zu organisieren wären, all solche Konkretheiten wurden gemieden. Deshalb ein paar O-Ton-Schnipsel von taz-Fotografen, die allesamt an der HfK Graphikdesign mit Schwerpunkt Fotografie studier(t)en: „Ein Pflichtkurs im Modebereich hätte mich richtig genervt.“ „Mode. Das hätte ich toll gefunden. Im Grundstudium sind viele sehr offen für Anregungen. Ich selbst fing an mit Zeichnen und bin später auf Fotografie umgeschwenkt. Andere kommen von der Freien Kunst zur Grafik. Das ist die Stärke dieser Universität.“ Einhelligkeit bestand darin, daß sechs Semester für eine ästhetische Schulung zu wenig sind. „Es sei denn, jemand kommt aus einem Grafikbüro und will nur kurz eben mal seinen Abschluß nachholen.“ Immer diese Es-sei-denns. bk Am 19.2. veranstalten Die Grünen eine Podiumsdiskussion zum Thema Bachelor/Master in der Bürgerschaft

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