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„Die Toilette ist nicht alles“

Kinder, Kunst und Klos: Eine Aquarell-Ausstellung in der Umweltbehörde verewigt Hamburger Toilettenfrauen und -männer  ■ Von Heike Dierbach

Renate B. verbringt in „ihrer“ Toilette mehr Zeit als zu Hause, „deshalb muß es hier auch sauber und gemütlich sein“. Seit 12 Jahren arbeitet sie als Toilettenfrau. Nun ist ihr Wirken erstmalig öffentlich sichtbar: Auf 30 Aquarellen, die derzeit im Treppenhaus der Umweltbehörde zu sehen sind, hat die Hamburger Künstlerin Anke de Vries Renate B. und ihre KollegInnen portraitiert.

Es sind vor allem die beigefügten Zitate, die einem die Menschen auf den Bildern näherbringen. Ursula von S. zum Beispiel, die auf ihrem „von“ besteht – „soviel Zeit muß sein“ – oder Inge M. aus der Privattoilette Baumwall, die sich freut, daß sie unter Menschen ist: „Zu Hause langweile ich mich nur vor dem Fernseher.“

148 öffentliche Toiletten und rund 40 Toilettenfrauen und -männer gibt es in Hamburg. Ihr Verdienst liegt nach zehn Berufsjahren bei 13 bis 15 Mark brutto.

Warum wird jemand ToilettenwärterIn? Die Biographien der Portraitierten, die de Vries in einem Begleitheft dokumentiert, geben Antwort: Zum Beispiel, weil eine alleinerziehende Mutter neben dem Job ihre Kinder betreuen kann, so wie Petra R. „In vielen Toiletten werden im Aufenthaltsraum Hausaufgaben gemacht“, erzählt de Vries. Die Verbindung von Beruflichem und Privatem, findet die Künstlerin, entspricht durchaus einem weiblichem Lebenskonzept. Doch es gibt auch jene Frauen und Männer, die nach einem Unfall ihren Beruf aufgeben mußten und sich mit der Arbeit in den Toilettenräumen über die Runden bringen.

Andere setzen mit dem Job eine Familientradition fort, wie Peter R. in der öffentlichen Toilette an der Landungsbrücke 4. „Ich bin stolz auf meine Arbeit, weil ich sie gut mache“, steht auf seinem Portrait, das er „ganz ulkig“ findet. Und eine Würdigung seiner Arbeit? „Gewürdigt fühle ich mich eher dadurch, daß die Leute grüßen und bezahlen“, erzählt er und fügt strahlend hinzu: „Und manchmal fragen mich Touristen nach Tips.“

Renate H. wiederum will nicht in dem Job bleiben. Noch ein Jahr, dann wandert sie mit zwei Freundinnen auf die Karibikinsel St. Martin aus, erzählt die Hamburgerin. Auch Edith H. träumt von Höherem: Nach einem Fernstudium der Psychologie schreibt sie jetzt in jeder freien Minute an einem Buch über Frauenemanzipation und offene Sexualität, denn „die Toilette ist nicht alles“.

Die Frauen und Männer zur Teilnahme am Projekt, das übrigens von der Kulturbehörde finanziert wurde, zu bewegen, war gar nicht so einfach, berichtet de Vries: „Ich komme von der Behörde' war schonmal der falsche Satz, genauso wie ,Ich bin Malerin.“ Das Eis brach schließlich eine einfache Frage: „Kann ich mal einem Moment mit Ihnen reden?“

Die Ausstellung ist bis Ende Februar zu sehen in der Umweltbehörde, Billestr. 84

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