: Ex-Postminister beendet die Irrfahrt der Paqarizis
■ Christian Schwarz-Schilling setzt sich für Rückkehr einer unrechtmäßig abgeschobenen Familie von Kosovo-Albanern ein. Landrat in Erklärungsnot. Grüne erwägen Anzeige wegen Freiheitsberaubung
Fürstenfeldbruck (taz) – Ljuljeta Paqarizi, 26, hatte gute Nachrichten. Ihre Familie war bereits vor dem Krieg in ihrer Heimat nach Bayern geflüchtet. Den Asylantrag der Kosovo-Albanerin, ihres Mannes und ihrer zwei Kinder hatten die Behörden inzwischen zwar längst abgelehnt. Trotzdem gab es noch Aufschub: Ihr Mann Mefail, 32, bekam für seine freiwillige Ausreise noch zwei Monate Zeit zugestanden. Und für Frau und Kinder hatte das Verwaltungsgericht Ansbach „Abschiebungshindernisse“ erkannt. Das bedeutete weitere Duldung.
Das war Anfang Dezember 1997. Zwei Tage später war Familie Paqarizi verschwunden. Am 3. Dezember hatte um halb sieben Uhr morgens die Polizei an der Wohnungstür geklingelt. Die Beamten gaben der Familie drei Stunden Zeit. Mit gepackten Sachen ging es dann sofort zum Münchener Flughafen, von wo die Paqarizis direkt in den Kososvo ausgeflogen wurden. Die Familie fand sich mitten im Kriegsgebiet wieder. Ihr Heimatdorf Orahovac gelangte im Juni vergangenen Jahres zu makaberer Berühmtheit: Die Serben sollen in dem umkämpften Ort ein Massaker an der Bevölkerung angerichtet haben.
Um sieben Uhr morgens kamen die Polizisten
Nur einer zufälligen Begegnung mit dem ehemaligen Postminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) in einem Flüchtlingslager haben es die Paqarazis zu verdanken, daß sie vor wenigen Tagen schließlich nach Deutschland zurückkehren konnten. Alle vier sind von ihrer Odyssee traumatisiert. Die beiden Kinder sind an Tuberkulose erkrankt.
Am Landratsamt im oberbayerischen Fürstenfeldbruck, dessen Ausländeramt für die rechtswidrige Abschiebung verantwortlich ist, wird abgewiegelt. Landrat Thomas Karmasin (CSU) spricht von einem „Mißgeschick“. Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, daß den Fürstenfeldbruckern die Rechtswidrigkeit ihrer vorschnellen Abschiebung schon lange bekannt war, und mehr noch: daß versucht worden ist, den Fall zu vertuschen.
„Wenn das wirklich ein Mißgeschick gewesen wäre, dann hätte das spätestens im Januar 1998 korrigiert werden müssen“, sagt Martin Runge, Landtagsabgeordneter der Bündnisgrünen im bayerischen Landtag. Unmittelbar nach der Abschiebung hatten die Gröbenzeller Gemeinderätin Ursula Retz (Bündnis 90/Die Grünen) und der freie Journalist Johannes Beetz bereits auf die Rechtswidrigkeit der vorschnellen Verfrachtung hingewiesen. Beetz gegenüber bestritt die zuständige, als besonders hart bekannte Sachbearbeiterin Monika Sch. allerdings, daß die Familie unmittelbar vor ihrer Abschiebung einen weiteren Aufschub bekommen habe. Und Landrat Thomas Karmasin versuchte, den Journalisten Beetz lächerlich zu machen. „Herr Beetz schreibt viel“, sagte Karmasin bei einem Besuch in einem städtischen Gymnasium, als ihn ein Schüler auf den Fall Paqarizi ansprach. Der Landrat habe zu dem kritischen Schüler gesagt, „es stimmt nicht alles, was in der Zeitung steht“. Bei dieser Äußerung blieb es, nachprüfen ließ Landrat Karmasin den Fall Paqarizi freilich nicht.
Als der Familienvater Paqarizi mit einem Schlepper wieder nach Bayern zurückgekehrt war und sofort einen Asylfolgeantrag gestellt hatte, war auch dies kein Grund für die Fürstenfeldbrucker Behörde, sich die Akten genau anzusehen. Man bemühte sich im Gegenteil, den unerwünschten Gast so schnell wie möglich wieder loszuwerden – „wohl auch, um das rechtswidrige Verhalten zu vertuschen“, vermutet Landtagsabgeordnete Runge.
Der Grüne fordert nun den Rücktritt des Landrates und die Überprüfung aller Abschiebungen und Ausweisungen der Jahre 1997 und 1998 sowie die Einsetzung einer Schlichtungsstelle für Asylfragen im Landkreis. Sollte der eifrige Landrat Karmasin – wie erwartet – nicht reagieren, möchte Runge ihn anzeigen – wegen Freiheitsberaubung und Verschleppung mit der Folge schwerer Körperverletzung. Stefan Kuzmany
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