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Abziehbilder und Heldenposen

■ Authentisches Statement: Die theaterwerkstatt Lichthof zeigt „Supernix“

„Mein Körper schläft schon, nur meine Augen sind noch wach.“ Die offene Haarpracht auf dem Kissen im silbernen Schein des Mondes. Eine junge Frau, Typ Girlie, erlebt sich selbst vor dem Einschlafen. Ganz verzaubert, ganz verzückt ist sie von der eigenen Anmut und haucht mit einem entrückten Lächeln: „Schade, daß er mich jetzt nicht sieht!“

In der neuen Produktion Supernix – ein Heldenstück von der theaterwerkstatt Lichthof e.V. geht es darum, gesehen zu werden – und zwar um sich der eigenen Existenz zu vergewissern. Der Spielort ist so ungewöhnlich wie passend: eine Durchgangshalle in der Post am Stephansplatz. So viel mehr braucht es auch nicht.

Es dreht sich um acht Twens aus der Gegenwart, die sich einzeln um sich selbst drehen. Anders als ihre Eltern der 68er-Generation, die kollektiv nach dem Sinn des Lebens fragte, hat die Jugend von heute offenbar das Problem, das eigene Leben als solches überhaupt wahrzunehmen. „Ich will ja nur der sein, der ich bin“, heißt es. Angesichts der alltäglichen Flut von Bildern und Menschen im Rampenlicht klammern sich die Protagonisten an gestanzte Heldenposen, meist Abziehbilder aus der medialen Glamourwelt.

Schlaglichtartig flattern die Figuren in Szenenfetzen durchs Stück und bleiben zerrissen und unvollständig. Damit hat Regisseurin Maryn Stucken eine Form gewählt, die dem Thema entspricht und kurzweilig ist. Leider bleiben die Charaktere aber auch typenhaft, die Szenen insgesamt flüchtig. Im Stück lautet das Credo dieser Generation „Ich bin ein Held!“ und ist tendenziell eher komisch. Da luftkickert beispielsweise ein Fußballfan fanatisch vor sich hin und hat am Ende die Erleuchtung: „Gott ist rund!“. Der Heldenkult bedeutet aber auch Heldenverehrung. Die anerkannte Leistungsträgerin Steffi Graf verwandelt sich durch ihre Schar von Jüngern auf offener Bühne zum Abbild der Mutter Gottes.

Wenn die These des Stücks stimmt, daß die ironische Distanz zur Medienwelt und zu sich selbst so vielen abgeht und der Übergang zwischen Schein und Sein so nahtlos geworden ist, dann ist das allerdings nicht so harmlos, wie es hier aussieht. Das Ensemble, das aus Amateuren besteht, hat sich seit einem Jahr mit dem Thema „Helden“ auseinandergesetzt und das Stück teilweise mitverfaßt. Das allein macht Supernix sehenswert – es ist ein authentisches Statement zum Zeitgeschehen.

Birgit J. Neumann

Di, 9.; Do, 11.; Fr, 12; Sa 13. Februar, 20 Uhr, Post am Stephansplatz, Ecke Gorch-Fock-Wall, Karten unter Tel.: 43 88 04

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