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Deutsche, Briten etc.Abgeblitzkriegt

■ Irritiert: Michael Naumann und die britische Lust an markigem Weltkrieg-II-Vokabular

Ein paar deutsche Worte, wenn auch nicht ganz korrekt, kennen alle Briten: „Donner und Blitzen!“ Und: „Schweinhund!“ Sie kommen in fast allen Filmen über den Zweiten Weltkrieg vor, und das britische Fernsehen zeigt noch immer sehr viele davon – mal Heldenepen, mal Komödien, manchmal ganze TV-Serien. Und wenn es nicht der Krieg ist, dann der Fußball. Unvergessen die Schlagzeile des Daily Mirror vor dem Europameisterschaftsspiel 1996 gegen Deutschland: „Achtung! Ergebt euch!“ Darunter: „Der Mirror erklärt Deutschland den Fußballkrieg.“

Das ist es wohl, was der deutsche Kulturminister Michael Naumann meinte, als er in einem Gespräch mit britischen Journalisten am Rande der Berlinale die britische Besessenheit vom Zweiten Weltkrieg monierte. Er sei so etwas wie der Mittelpunkt ihres Nationalgefühls, sagte Naumann, und wurde dafür von der britischen Presse heftig gescholten. Die einen warfen ihm vor, in Anbetracht der deutschen Geschichte unverschämt zu sein, die anderen meinten hämisch, die Deutschen wären auch vom Krieg besessen, hätten sie ihn gewonnen. Wie zum Beleg wies die Sunday Times darauf hin, daß Naumann der erste deutsche Kulturminister mit nationaler Zuständigkeit seit Joseph Goebbels sei.

Dabei hat Naumann ja nicht unrecht. Wenn es darum geht, die Europhobie in Britannien zu schüren, dann fallen Wörter aus dem Krieg. Der Tory-Rechtsaußen Norman Tebbit schrieb vorige Woche: „Wenn Tony Blair mit Gerhard Schröder Schritt halten will, dann sollte er schnell den Stechschritt üben.“ Dennis Skinner vom linken Labour- Flügel sagte im Rover-Werk über die Mutterfirma BMW: „Die Deutschen werden zu groß für ihre Knobelbecher.“ Und die Sun nannte Oskar Lafontaine „Gauleiter“ und „gefährlichster Mann in Europa“.

Selbst bei innenpolitischem Zwist werden die Deutschen bemüht. Die Times – eine angesehene Zeitung, bevor Medienzar Rupert Murdoch sie zu einem großformatigen Schmutzkübel machte – wollte Premierminister Tony Blair an den Karren fahren und verglich seinen „Dritten Weg“ mit dem „Dritten Reich“. Der Autor, Lord Beloff, beschrieb in einem Artikel die Ähnlichkeiten zwischen Blair und Hitler. Bloß der Holocaust, schreibt Beloff in einem Halbsatz, stehe bei Blair nicht auf der Tagesordnung.

Gestern, als sich die erste Wut über Naumanns Äußerungen gelegt hatte, gab es auch ein paar besonnene Stimmen. „Jede Nation braucht ihre Mythen“, schreibt Kolumnist Hugo Young im Guardian, „und man kann von Britannien nicht erwarten, daß es die mythische Kraft der Taten im Zweiten Weltkrieg so einfach zur Seite schiebt. Andererseits ist unsere Besessenheit von diesem Mythos noch viel weniger hilfreich, als der anständige Herr Naumann sich zu sagen traute.“ Man sei ergriffen von der Vergangenheit, und manchmal scheine es, als werde man von ihr erdrosselt, meint Young.

„Unser größtes Unglück, für das wir den Deutschen und Japanern immer noch kaum vergeben können, ist es, daß wir den Krieg gewonnen und den wirtschaftlichen Frieden verloren haben“, sagt Antony Beevor, Autor des Buches „Stalingrad“. Als Beispiel führt er die Autowerbung an. Ein Reklamespot für Rover legt dem Zuschauer nahe, daß der Wagen so gut sei, daß sogar ein Deutscher ihn fahren würde. Und in der Audi-Werbung kommt der deutsche Satz „Vorsprung durch Technik“ vor, der nun Eingang in die englische Sprache gefunden hat. „Der Erfolg dieser Werbekampagne deutet stark darauf hin“, sagt Beevor, „daß das britische Problem eher mit Neid und Ablehnung zu tun hat.“ Der schleichende Minderwertigkeitskomplex stamme aus der Zeit, als Großbritannien als „kranker Mann Europas“ galt, aus den 50er und 60er Jahren.

Richtig berühmt geworden ist ein Werbespot der Dünnbierbrauerei Carling, der sich der gängigen Klischees bedient. Darin überlistet ein Carling- Trinker im Urlaub die tumben Deutschen, die jeden Morgen die Liegestühle am Swimmingpool mit ihren Handtüchern belegen. Sinn für Humor, schreibt auch der Guardian, gehe den Deutschen völlig ab. Die Untersuchung eines US-Instituts habe ergeben, daß Deutsche nur sechs Minuten am Tag lachen, Briten dagegen eine Viertelstunde. Ralf Sotscheck

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