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Der Geist in der Flasche

■ Wieder wollen die Länder zeigen, daß sie die Medien am besten regeln. Aber sie wissen nicht, wie

Eigentlich müßten sie der Sache müde sein. Zu oft schon haben sich die Ministerpräsidenten der Länder bei dem Versuch verkeilt, die Regeln für die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender der rasanten Entwicklung auf dem Medienmarkt anzupassen. Alle reden sie großspurig von der Zukunftsbranche Medien, doch wenn sich die Regierungschefs heute in Bonn treffen, geht es wieder um die ganz kleinen Fragen: Dürfen die reichen ARD-Sender wie WDR und BR dem Berliner Notfunk SFB in den nächsten Jahren noch einmal jeweils 5 Millionen Mark abgeben? Dürfen bald die Privatsender Reklame machen, sooft sie wollen? Sollen Pay-TV-Sender Sexfilme ein wenig früher am Abend zeigen dürfen, wenn sie im Gegenzug mit Extra-Technikschaltungen die Jugend vor dem Gestöhne schützen?

Es ist immer das gleiche, wenn ein neuer Rundfunkstaatsvertrag verabschiedet werden muß, das Gesetz, daß die Medienwelt in Deutschland regelt. Obwohl in Grundzügen längst klar ist, was am Ende nur rauskommen kann, kommt ritueller Streit vor dem Kompromiß: Bayerns Stoiber poltert gegen die ARD, NRWs Clement wirft sich für Bertelsmann in die Bresche, Sachsens Biedenkopf will das ganze System ändern, und die Länder am Katzentisch der Branche wie Schleswig-Holstein und Bremen sind, je nachdem, sauer oder beleidigt. Am Ende wird (wie nun heute und morgen) ein „Gipfel“ angesetzt und am geheimnisvollen Kamin der allerkleinste gemeinsame Nenner ausbaldowert: ein Löffelchen für die Privaten, ein Löffelchen für ARD und ZDF. Letztes Mal, als 1995 die Länder Bertelsmann und Kirch grenzenlose Freiheit bei ihren TV- Imperien gaben, war gar von einem „Wunder“ die Rede.

Dazu kommt, daß die Länder auch noch beweisen wollen, daß ihre Form der Mediengesetzgebung die beste ist. Deshalb hat der Mainzer Kurt Beck (SPD), der als Koordinator der ganzen Chose agiert, gleich am Anfang seines als Verhandlungsgrundlage gemeinten Papiers (taz vom 19.2.) festgehalten, „eine Einschränkung der medienrechtlichen Länderkompetenzen“ komme gar nicht in Frage. Was das betrifft, sind sich alle mal einig, inklusive Edmund Stoiber.

Aber nur hier: Der Bayer hat am Dienstag seinen Kollegen einen Brief geschrieben, in dem er die harte Haltung in allen ARD- Fragen bekräftigt: Die Digitalprogramme von ARD und ZDF will er beschränken, inhaltlich (auf „Information, Bildung und Kultur“) und in der Zahl – weitere Programme, so Stoiber „unterliegen wie bisher dem Vorbehalt einer staatsvertraglichen Einigung aller Länder“, also Bayerns Zustimmung. Weiter fordert Stoiber u.a., den Sendern BR, MDR, SWR, NDR und WDR in der ARD dreimal soviel Stimmen zu geben wie den kleinen. Einst hatte er die komplizierte Debatte um den ARD-Finanzausgleich angestoßen, obwohl nicht klar ist, ob die Politiker in ARD-Angelegenheiten hereinfunken dürfen.

„Der sitzt mit seinem Finanzausgleich wie ein Korken auf der Flasche, in der der Geist sitzt“, sagt ein SPD-Verhandler. Eigentlich seien sich alle längst einig. Nur daß es im Vorfeld immer unübersichtlicher wird: Biedenkopf will dem ZDF mehr Geld geben, Clement zeigt sich generös gegenüber dem SFB (von ihm stammt der 5-Millionen-Vorschlag, der im Gegensatz zu einem ARD-Beschluß steht, den Berlinern gar nichts mehr zu geben). Und in Bayerns Staatskanzlei lobt man gar die Nord- Frau Heide Simonis. Die hatte nämlich die Idee, mit den Kleinfragen schnell zu Potte zu kommen und lieber bei der nächsten Staatsvertragsnovelle einen ganz „großen Wurf“ hinzulegen. Ja, endlich mal eine klare, verständliche Neuregelung. Davon träumen die Länderverhandler. Bis es wieder von vorn losgeht. Lutz Meier

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