■ China: Der Besuch Albrights stand im Zeichen des US-Wahlkampfes: Die Rückkehr des Kalten Krieges
Bill Clinton hat die Kontrolle über die amerikanische Außenpolitik verloren. Der Kalte Krieg ist wiedereröffnet. Auf den „Krieg der Sterne“, den Ronald Reagan gegen die Sowjetunion gewann, folgt nun die „Theatre Missile Defense“ (TMD), das Raketenabwehrsystem des ersten neugewählten US-Präsidenten im 21. Jahrhundert. Mit diesem wird er die neuen Raketenmächte China und Nord-Korea in Schach halten. Davon jedenfalls wird Amerika träumen, solange sich China den Republikanern im Präsidentschaftswahlkampf 2000 anbietet, die alten Fronten zwischen Falken und Tauben neu aufleben zu lassen. Und solange sich die Demokraten nicht zu schade sind, ihre moralische Überlegenheit gegenüber den chinesischen Kommunisten auszuspielen, um China als Reich des Bösen in Sachen Menschenrechte anzuprangern.
Vorbei das hochtönende, aber im Kern vernünftige Gerede von der „strategischen Partnerschaft“ zwischen Washington und Peking. Beim Besuch in Peking war die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright nicht mehr als eine Vorbotin amerikanischer Wahlkampfpropaganda. TMD sei ein reines Verteidigungssystem, das kein friedfertiges Land stören könne, beteuerte US-Außenministerin Albright gestern gegenüber ihrem chinesischen Amtskollegen. Das klang schon so treuherzig gut wie unter Reagan.
Gott sei Dank aber gibt es keinen Rüstungswettlauf zwischen Amerika und China und damit auch keinen zweiten Kalten Krieg zu gewinnen. So dumm sind die Kommunisten in Peking nicht, daß sie ihr ganzes Geld ins Militär stecken. Nicht einmal in 50 Jahren könnten sie die USA militärisch einholen. Shon deshalb können sie das Reich des Guten nicht als Gegner gebrauchen. Warum wollen das die amerikanischen Politiker nicht einsehen? Vielleicht haben sie Angst vor anderen Fronten, zum Beispiel vor dem hohen Handelsdefizit mit China. Doch haben nicht die zurückliegenden Kontroversen mit Japan gelehrt, wie schimärisch auch die „Handelskriege“ sind?
Ohne eine „günstige internationale Meinung“ lasse sich die Volksrepublik nicht modernisieren, dozierte Chinas Staatspräsident Jiang Zemin am Wochenende. Daran ist viel Wahrheit: Wer China als Gegner Amerikas sieht, wird in das Land nicht mehr investieren. Ohne Auslandinvestitionen aber gibt es weder Wachstum noch Reform in China. Das scheinbar leichte Spiel mit dem Kalten Krieg gegen den asiatischen Riesen kann den Riesen leicht zu Fall bringen. Hinterher wollte das natürlich keiner – und dann erst würde der Vergleich Chinas mit den katastrophennahen Resten der Sowjetunion stimmen. Georg Blume
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