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Das Primat der 68er brechen

■ In Nordrhein-Westfalen hat sich eine grüne Jugendorganisation gegründet, wie schon in anderen Bundesländern. Sie will Erneuerung, führt aber die gleichen Debatten wie die Altpartei

Berlin (taz) – „Eine grüne Strukturdebatte pur haben wir anderthalb Jahre lang geführt.“ Michael Ortmann (22) klingt müde, aber auch stolz. Müde, weil auf die anderthalb Jahre am vergangenen Wochenende noch einmal 33 Stunden Diskussion folgten. Stolz, weil an deren Ende der „Grün-Alternative Jugendbund“ Nordrhein- Westfalen gegründet war. Damit haben die Grünen jetzt in jedem alten Bundesland eine Jugendorganisation.

Über das Verhältnis zur Altpartei wurde lange gestritten und über das eigene Selbstverständnis. Darf man einen Vorstand auch Vorstand nennen? Dürfen grüne Judendbündler auch in anderen Parteien sein? Die 120 Gründungsmitglieder des Jugendbunds NRW, die am letzten Wochenende in der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule in Krefeld tagten, entschieden am Schluß pragmatisch. Ja, der Vorstand heißt auch so, aber seine Mitglieder sind gleichberechtigt. Nein, andere Parteimitgliedschaften sind ausgeschlossen, aber das grüne Parteibuch ist kein Muß. Michael Ortmann freut sich, „daß wir alles so harmonisch und vernünftig hingekriegt haben“.

Fast gänzlich unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich in den Jahren nach der Wende in allen westlichen Bundesländern grüne Jugendorganisationen gegründet. Der Bundesverband, das „Grün-Alternative Jugendbündnis“, feierte im Januar sein fünftes Jubiläum. Nur in den neuen Bundesländern haben sich die Junggrünen erst in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt organisiert.

Trotz bundesweit gut 5.000 Mitgliedern haben es die Jugendorganisationen bisher nicht geschafft, ihrer Partei junge Wähler zuzutreiben. Die Hessen-Wahl hat gezeigt: Den Neuwählern geht es eher um Arbeits- und Ausbildungsplätze als um Umweltschutz und Gleichberechtigung. Soll man nun aber auf die neuen Jugendthemen umschwenken oder nicht? Der Riß geht auch quer durch die Junggrünen. Sie sehen sich trotzdem als Erneuerer.

„Die Grünen sind eine altbackene Partei“, sagt Michael Ortmann. „Sie brauchen inhaltlich und personell frischen Wind von jungen Leuten.“ Die Jugendorganisation als „Nachwuchsschmiede“ für die Altpartei. Vier Abgeordnete unter 30 sitzen für die Grünen im Bundestag. In der 47köpfigen Grünen-Faktion fallen sie kaum auf, bis auf Matthias Berninger, der jetzt sogar Grünen- Chef in Hessen werden will. Der 26jährige Christian Simmert aus NRW etwa mußte den Sprung ins Parlament noch ohne Jugendbund schaffen. Michael Ortmann hofft, daß es in Zukunft einfacher wird. Mitreden wollen die Jungen im NRW-Landesvorstand. In den Kreisen haben sie das schon geschafft. Ortmann selbst sitzt im Kreisvorstand Düren. „Wir wollen zwar keine Jugendquote“, sagt er. „Aber wir wollen die Vorherrschaft der 68er brechen.“ Till Ottlitz

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