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■ H.G. HolleinKlassiker

Die Frau, mit der ich lebe, ist Jungfrau. Das stört mich nicht weiter. Nur war Goethe das auch. Und wie die Gefährtin derzeit nicht müde wird, mir mitzuteilen, kam sie „nur einen Tag später“ zur Welt. Wenn auch nicht im gleichen Jahr. Denn – so steht es in der Programmzeitschrift des Kulturkanals arte – „der vor 250 Jahren geborene Johann Wolfgang von Goethe ist nun bereits 167 Jahre tot“. Alles andere wäre in der Tat eine Sensation. Aber nun ernsthaft: Wem hat der Dichterfürst heute noch etwas zu sagen? Ich möchte doch meinen – und das ist in der Forschung bisher nur ungenügend rezipiert worden – den Autonomen und den Grünen. Was anderes als eine Fingerübung in Sachen Spaßguerilla war es schließlich, die den jungen Johann mit seinem herzoglichen Kompagnon Ernst-August Fensterscheiben einschlagend und Bürger foppend durchs nächtliche Weimar schweifen ließ? Und die „Italienische Reise“? Muß in ihrem „On the Road“-Charakter als Kultbuch der Toskana-Fraktion doch wohl neu gelesen werden. Dann der Übertritt ins Regie-rungslager. Als Minister für Bergwerke und Forsten am Weimarer Hof ist Goethe der klassisch-paradigmatische Übervater eines Jürgen Trittin. Das gepflegte Outfit eingeschlossen. Und wegweisend zum Atom-Ausstieg: „Der Zauberlehrling“ mit seinen „Geistern, die ich rief“. Zur Frauenfrage sei der Olympier allerdings mit Vorsicht herangezogen. „Die Frauen sind silberne Schalen, in die wir goldene Äpfel legen“, dürfte sich für Joschka Fischers Vorstellungen über eine grüne Strukturreform als Leitmotiv mit durchaus gebremster Zugkraft erweisen. Und schließlich: „Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!“ Ach nein, das war der andere. Darum pflegte der Geheime Rat zeitlebens erst gar nicht zu bitten. Die nahm er sich ganz einfach. Da könnte man regelrecht grün werden vor Neid.

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