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Glückliche Hunde machen glückliche Menschen

■ Hunde sind die natürlichen Freunde der Menschen. Die Köter anzuleinen schafft mehr Probleme statt Lösungen, meint der Psychologe Rainer Brockmann, der auch nichts gegen Hundekot hat

taz: Ist es aus psychologischer Sicht sinnvoll, einen Hund zu haben?

Rainer Brockmann:Unbedingt. Der Hund ist ein idealer Lebensbegleiter, und er wirkt positiv auf unseren Gesundheitszustand. Man kann mit Sicherheit behaupten, daß die Kosten im Gesundheitswesen deutlich höher wären, wenn man die Hundehaltung einschränkte.

Hunde können komplizierte Familienverhältnisse positiv beeinflussen und Gefühle von Einsamkeit und Depression verhindern. Billiger ist das alles nicht zu kriegen.

Was halten sie vom Leinenzwang?

Als Hundebesitzer bin ich natürlich empört. Ich habe den Eindruck, daß da eine ganze Bevölkerungsgruppe bestraft werden soll, weil man die eigentlichen Ursachen für das „Hundeproblem“ nicht lösen kann oder will.

Welche psychischen Folgen hat der Leinenzwang für den Hund?

Nett, daß Sie „psychisch“ sagen. Der Hund wird in einer ganz wesentlichen Lebenstätigkeit eingeschränkt. Das hat Folgen. Er ist nicht dafür geschaffen, an einer Leine zu gehen.

Es wird Streß geben zwischen Herrchen und Hund. Ob es den Hundebesitzern im Alltag tatsächlich gelingen wird, die angekündigten vermehrten Auslaufflächen häufig genug zu erreichen, darf bezweifelt werden. Auf jeden Fall wird sich die Anzahl der auffälligen Hunde erhöhen. Das Gegenteil ist ja wohl beabsichtigt.

Kann der Leinenzwang auch psychische Folgen für den Hundehalter haben?

Wenn der Hund glücklich ist, freut sich der Mensch. In der Identifikation mit ihrem Hund dürfte die neue Regelung viele Hundehalter überfordern. Die Beziehung wird schwieriger, ihr potentieller Nutzen nimmt ab.

Woher kommt die Berliner Hundeliebe?

Hundeliebe ist kein Berliner Phänomen, sondern universell. Der Mensch hat Tiere in seinen Lebensraum gezogen, seit er Kulturwesen ist. Die Heimtierhaltung ist älter als die Nutztierhaltung, und der Hund stand und steht ganz oben. Provozierend gesagt: Tiere sind für Menschen vor allem psychisch „Lebensmittel“. Das Besondere am Berliner ist, daß er trotz aller urbanen Hindernisse nicht von seinem Hund läßt. Auch das neue Hindernis wird ihn nicht abhalten.

Hat die Berliner Hundeliebe auch etwas mit dem langen Inseldasein der Hauptstadt zu tun?

Eher nicht. Aber wenn es als Argument die Politiker zum Einlenken bringt, bin ich bereit, es zu unterstützen.

Gibt es auch so viele Hunde in Berlin, weil hier überproportional viele alte Menschen leben?

Das kann sein! Auf jeden Fall ist die Lebensgemeinschaft mit dem Hund für ältere Menschen von besonderem Nutzen.

Ist der Leinenzwang auch Ausdruck der Bestrebungen nach einem gestylten Berlin?

Es paßt sicher in den allgemeinen politischen Trend der Straffung der optischen Verhältnisse in dieser Stadt. Schlichte Ordnungsvorstellungen sind auch immer ein Angriff auf entwickeltes Leben. Hier vertraue ich auf die Vitalität des Faktischen.

Aber sind große Hunde nicht tatsächlich eine Gefährdung?

Selbstverständlich können Hunde gefährlich werden. Aber so gut wie immer sind dafür die Halter verantwortlich, wobei es ihnen nur selten bewußt ist. Grundsätzlich sind jedoch gerade wehrhafte Hunderassen zugleich sehr erziehungswillig. Die Eigenwilligkeit des Dackels wäre an der Dänischen Dogge nicht tolerierbar.

Und das Problem Hundekot?

Auch die wunderbarsten Geschenke der Natur sind nicht ganz umsonst. Interview: Philipp Gessler

Rainer Brockmann (59) ist Psychologe an der FU Berlin. Er arbeitet in einem Forschungsprojekt zur Psychologie der Mensch-Tier-Beziehung. Dabei werden Tiere bei der Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen eingesetzt.

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