: Der ehrliche Makler aus Hessen
■ Akribie und Seriosität sind die Markenzeichen von Hans Eichel. Damit ist er ein guter Gegenpol zur Regierungsriege der aufdringlichen Selbstdarsteller
Kein Griff mehr in die buchhalterische Trickkiste. Schluß mit Bilanzfälschungen aller Art. Nie wieder unseriöse Vorschläge zur (Gegen-)Finanzierung politischer Abenteuer. Jetzt kommt der „ehrliche Makler“ aus Hessen, wie Hans Eichel einmal vom Fraktionsvorsitzenden seiner Partei im Landtag, Armin Clauss, genannt wurde. Der „blanke Hans“ – so giftete die Union in Hessen mit Blick auf die leere Landeskasse – ante portas als Finanzminister der Regierung Schröder in der Berliner Republik.
Erbarmen, zu spät, die Hessen kommen! Joschka Fischer ist schon da. Und Heidi Wieczorek auch. Die Medien haben dem (Noch-)Regierungschef in Hessen, der ganz gewiß kein Entertainer ist, oft schräge Etiketten verpaßt: „Nasse Nudel“ haben sie ihn genannt, und „Büroklammer“. Und zuletzt im Hessenwahlkampf: „Chefbuchhalter.“ Kann es einen besseren Bundesfinanzminister geben als einen Chefbuchhalter? Und wer könnte geeigneter sein für die Aufnahme in Schröders aufdringliche Roadshow der Selbstdarsteller als der unaufgeregte, für sein akribisches Arbeiten bekannte, immer zuverlässige Hans Eichel?
Das Christkind Eichel, geboren am 24. 12. 1941, muß nicht in jede Kamera schwätzen, deren Zoom an Eingang zum Finanzministerium aufgezogen wird. Seriosität ist sein Trumpf. Diese Geschichte erzählen sie sich gerne in Nordhessen: Als der „brave Hans“ noch Oberbürgermeister von Kassel war, habe er seine Akten sogar auf die Hochzeitsreise mitgenommen. Eichel hat das nie dementiert.
Zwei Kinder haben Hans Eichel und seine Frau. Umziehen muß die Familie ohnehin. Die Dienstvilla in der Rosseltstraße in Wiesbaden muß geräumt werden. Ministerpräsident ist Eichel nur noch bis zum 7. April. Dann wird Roland Koch (CDU) vereidigt. Finanzminister werden kann Eichel – nach der Landesverfassung – also erst am 8. April 1999.
Daß der Gymnasiallehrer Eichel – Deutsch und Politik – einmal OB war, hält sein Fraktionschef Clauss für einen „Glücksfall“. So kenne der zukünftige Finanzminister die Probleme der Kommunen so gut wie die der Länder. Dort hat er sich bei Freund und Feind ohnehin einen guten Namen gemacht: als Finanzkoordinator der SPD-regierten Länder in den letzten Jahren der Regierung Kohl (CDU). Seine Kompromißvorschläge lösten oft die verhärteten Fronten auf. Lob für Eichel gab es selbst von Teufel (CDU) und von Stoiber (CSU).
Als „fairen Partner“ haben auch die Bündnisgrünen in Hessen den Ministerpräsidenten in den acht Jahren der gemeinsamen Regierung in Wiesbaden immer bezeichnet. „Großen Respekt“ zollte ihm etwa Justizminister Rupert von Plottnitz (Grüne) nach der von den Grünen verschuldeten Niederlage der Koalition bei der Hessen-Wahl im Februar. Eichel habe der Versuchung widerstanden, die Bündnisgrünen noch weiter zu demütigen. Der kleine Partner, so die milde Analyse von Eichel, sei zwischen den „Großmächten“ SPD und CDU im Polarisierungskampf zerrieben worden. Eichel kommt nicht als Verlierer nach Bonn. Bei der Hessen-Wahl hatte seine SPD um 1,4 Prozentpunkte zugelegt. Klaus-Peter Klingelschmitt, Frankfurt
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