piwik no script img

Kunde gibt nicht auf im Kampf gegen die Barmer

■ Clinch zwischen Krankenkasse und Kunden geht in die inzwischen dritte Runde

Jürgen Schröder* hat die Schnauze ziemlich voll. Zum einen von einer neuen Kunststoffüllung in einem kaputten Zahn. Zum anderen von der Barmer Ersatzkasse. Schon seit beträchtlicher Zeit liegt der Mann nämlich mit der Barmer im Clinch (wir berichteten). Mußte sich die Kasse doch schon beim Bundesversicherungsamt (BVA) und dem Bundesdatenschutzbeauftragten für ihre Datenschutzpraxis verantworten. Doch damit nicht genug: Der Streit geht weiter. Und wieder muß sich die Barmer fragen lassen, ob sie ihre datentschutzrechtliche Praxis auch in Zukunft weiter so betreiben will.

Im aktuellen Fall hatte Kunde Schröder auf eine Leistungserstattung seiner Zahnfüllung gepocht. Die Barmer lenkte erst vor dem Landessozialgericht Niedersachsen ein. Die Hauptstelle Wuppertal wies ihre Geschäftsstelle Verden an, exakt 173,48 Mark an Schröder zu überweisen. Ein klarer Sieg für den Versicherten. Dennoch war die Barmer im Gegenzug so dreist, in seiner Leistungsakte einen Vermerk im „Schlüsselverzeichnis Widersprüche/Leistungsklagen“ einzufügen: „Widerspruchsbescheid ohne Erfolg.“ Und: „Urteil zugunsten der Kasse.“

Das ist zum einen schlichtweg falsch, wie die Unterlagen beweisen, die der taz vorliegen. Zum anderen dürfen nach Sozialgesetzbuch Paragraph 67 a+b nur Daten gespeichert werden, die zur „gesetzlichen Aufgabenerfüllung“ notwendig sind. Bei einer Krankenkasse dürften dies wohl Krankendaten sein. Dies ist bei der Barmer aber wahrlich nicht immer der Fall. Wie berichtet, hatte Schröder in seiner Leistungsakte bereits Vermerke gefunden wie: „Bei Herrn Schröder handelt es sich um ein Mitglied, daß sich offensichtlich gerne auf dem Wege der Klage seine Vorteile verschafft.“ Hinzu fanden sich in der Akte Presseartikel, die den Fall wiedergeben. Nichts davon hat aber etwas in einer Leistungsakte zu suchen. Darum forderte das Bundesversicherungsamt die dubiose Akte an und kam dezidiert zu dem Schluß: Liebe Barmer, so geht's nicht. Alle Vermerke mußten gelöscht werden.

Doch aus Schaden wird offenbar nicht jeder klug. Mußte Schröder doch bei einer späteren Akteneinsicht feststellen, daß nicht alles gelöscht worden war. Hinzu kam die Eintragung zu dem angeblichen Urteilssieg der Barmer, der völlig falsch ist. Beides muß die Barmer jetzt – wieder auf Intervention des BVA – löschen.

Nach so viel selbstverschuldetem Ärger mit dem umbequemen Kunden haben darum jetzt auch die Angestellten der Barmer-Geschäftsstelle Verden die Schnauze voll. Der Fall Schröder wurde abgegeben an die Geschäftsstelle Walsrode, und der Versicherte mit einem netten Schreiben willkommen geheißen. Doch es passierte, was passieren mußte. Die Datenübermittlung ist bedenklich. Heißt es doch in Paragraph 35, Sozialgesetzbuch I, daß jeder Anspruch darauf hat, daß seine personenbezogenen Daten als „Sozialgeheimnis“ gewahrt bleiben müssen. Dies „umfaßt auch die Verpflichtung, die technischen und organisatorischen Maßnahmen“ zu treffen. Daß die Barmer diese Daten einfach „online“ überspielt, „schlägt dem Faß den Boden aus“, mockiert sich Jürgen Schröder. Außerdem hatte er verlangt, wieder in Verden geführt zu werden.

Aber dazu sagt die Barmer Ersatkasse wiederum: geht nicht. „Eine Rückübermittlung war vom 8. bis zum 22. Februar nicht möglich, weil wir das System umstrukturiert haben“, erklärt die Barmer Chefsprecherin Susanne Uhrig. Ihren Angaben zufolge sind solche „online“-Übertragungen übrigens legal. „Unser Netz ist vollkommen abgeschottet.“Außerdem hätte der Versicherte sie „mündlich dazu aufgefordert, daß er von Verden nicht mehr betreut werden will.“ Schröder dementiert dies. Er habe lediglich gefordert, von der Hauptstelle betreut zu werden. Das aber geht laut Uhrig nicht: Zur Kundenbetreuung seien nur die „Geschäftsstellen da“, die Hauptstellen hätten damit nichts am Hut.

Und so dürfen sich jetzt wieder die Kassen-SachbearbeiterInnen aus Verden mit dem Kunden Schröder herumschlagen. Allerdings endgültig erst dann, wenn Kunde Schröder ausdrücklich schriftlich geäußert hat, von wem er denn nun betreut werden will. Das will die Barmer Ersatzkasse jetzt von Schröder schriftlich haben, heißt es aus der Hauptstelle.

Jens Tittmann

*Name von Red. geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen